Ametsreiter: „Man braucht Steherqualitäten“

Hannes Ametsreiter
Hannes Ametsreiter(c) APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Telekom-Boss Hannes Ametsreiter verteidigt die Wertberichtigung für Bulgarien und wünscht sich mehr Geld vom Partner America Movil.

Die Presse: Die Telekom hat am Mittwoch mit einer 400 Mio. Euro schweren Wertberichtigung für die bulgarische Mobiltel geschockt. Seit wann wissen Sie davon?

Hannes Ametsreiter: Wir haben in Bulgarien ein neues Management eingesetzt, das Ende Mai ein grobes Planungsszenario vorgelegt hat. Mitte Juni wurden drei Szenarien für die weitere Geschäftsentwicklung erstellt. Nach einem Feinschliff lag eine neue Planung am 25. Juni vor – am Tag der Aufsichtsratssitzung. Bis Mai lag die Mobiltel im Plan. Aber die Aussichten für die Marktentwicklung haben sich verschlechtert. Das ist der Punkt, bei dem man eine Ad-hoc-Meldung macht. Dieser Prozess ist dokumentiert. Wir werden damit auf die FMA (Finanzmarktaufsicht, Anm.) zugehen und diese Unterlagen zur Verfügung stellen.

Es gab Tage davor Gerüchte. War die Ad-hoc-Pflicht nicht schon früher gegeben?

Ein Magazin hat vorab falsche Informationen herausgegeben, das war ungeheuerlich. Die kamen nicht aus dem Unternehmen.

Woher sonst?

Nur ein ganz kleiner Kreis wusste davon. Dass Informationen durchsickern, ist unerfreulich. Zudem waren sie falsch. Wir werden klagen.


Das klingt nach „shoot the messenger“. Ist das nicht ein wenig billig, jetzt auf die Medien loszugehen?

Es gab Aussagen, dass wir etwas verschleiert hätten. Das nehme ich nicht hin, das ist kreditschädigend.

In Osteuropa läuft es nicht erst seit gestern schlecht. Warum hat man nicht früher Wertberichtigungen vorgenommen?

Am 24. Februar fand der Prüfungsausschuss mit dem Wirtschaftsprüfer Deloitte statt. Dort wurde bestätigt, dass in Bulgarien nicht abgewertet werden muss. Diskutiert wird das immer. Denn wir sind gebrannte Kinder, wir mussten vor drei Jahren Weißrussland abwerten. Heute ist die Velcom unsere profitabelste Tochter, mit einer Ebitda-Marge von knapp 50 Prozent. Unser Konzern ist in acht Ländern vertreten, da läuft einmal eines gut und ein anderes schlecht.

Ist es nicht zu einfach, die Verantwortung dem Wirtschaftsprüfer zuzuschieben? Wenn Sie als Konzernchef sagen, wir müssen wertberichtigen, dann muss das doch geschehen?

Die Mobiltel ist bis Mai im Plan gelegen. Außerdem hat die Mobiltel den Kaufpreis von 1,6 Mrd. Euro längst zurückverdient und wird auch heuer Gewinn machen. Daher gab es vorerst keine Notwendigkeit. Inzwischen haben sich die Aussichten für die Region eingetrübt. Viele Menschen in Bulgarien wandern aus wirtschaftlichen Gründen ab. Das sind oft Junge, besser Qualifizierte.

Bis Mai lief es also gut. Dann kommt mit Siegfried Mayrhofer ein neuer Finanzvorstand und es gibt ein 400-Millionen-Loch.

Das hat mit Mayrhofer nichts zu tun, sondern mit der neuen Planung. Die Zahlen müssen aber tragfähig sein, erst dann können sie kommuniziert werden. Sie können ja nicht gleich eine Ad-hoc rausschießen, das wäre unverantwortlich. Wir haben äußerst korrekt und transparent kommuniziert. Ich freue mich, wenn geprüft wird.

Nicht nur Osteuropa ist ein Problem. Jahrelang wurden zu hohe Dividenden gezahlt, wie auch Ex-Verstaatlichten-Manager Claus Raidl kritisierte. Von 2008 bis 2013 wurden 300 Mio. Euro verdient und 1,2 Mrd. Dividende gezahlt.

Der Einbruch in der Telekombranche in Europa und die Reduktion der Roaminggebühren waren so nicht absehbar. Allein Roaming macht bei uns 13 Prozent des Betriebsergebnisses (Ebitda, Anm.) aus.

Die EU will die Roaminggebühren seit Langem senken.

2012 wurde eine neue Roamingverordnung beschlossen. Die EU kündigt viel an. Es ist das Dilemma, dass es keine klaren Entscheidungen gibt. 84 Prozent des Umsatzrückgangs im letzten Jahr war der Regulierung geschuldet.

Sie haben viel Geld für die Frequenzen und Zukäufe ausgegeben und müssen nun wertberichtigen. Wie steht die Telekom wirklich da?

Das Eigenkapital sinkt, das freut uns in höchstem Maß nicht. Aber das operative Geschäft läuft gut und wir konnten den Ausblick bestätigen. Wir sind auf Kurs. Zudem haben wir einen sehr starken Partner (America Movil, Anm.).

Kann die geplante Kapitalerhöhung überhaupt für Investitionen eingesetzt werden oder muss man nun Löcher stopfen?

Wir werden überlegen, wie wir das Geld bestmöglich einsetzen. Man muss eine ausgewogene Mischung zwischen Eigenkapitalstärkung und Wachstumsinvestitionen finden.

Könnte die Kapitalerhöhung größer ausfallen?

Das ist Sache der Aktionäre. Im Syndikatsvertrag steht eine Milliarde.

Hätten Sie gern mehr?

Wenn es eine Möglichkeit gibt, ist das sicher eine Diskussion wert.

Wie groß ist die Gefahr, dass America Movil jetzt aussteigt?

Das ist Unsinn. America Movil ist höchst interessiert, hier Fuß zu fassen.

Der Einstieg der Mexikaner und der Syndikatsvertrag mit der ÖIAG wurden heftig kritisiert. Was ist Ihre Vision?

America Movil ist einer der weltgrößten Telekomkonzerne. Die Telekom ist mit ihr für die massive Konsolidierung in unserer Branche gut gerüstet.

Könnte das Europa-Headquarter der Mexikaner nach Wien kommen?

Die Vorzeichen sind positiv. Es gab schon klare Aussagen. Sie sind sehr angetan von unserem Technologie- und Produktniveau.

Wurde darüber schon gesprochen?

Das kann ich nicht sagen.

Sie stehen nicht erst seit dieser Woche im Schussfeld der Kritik.

Es gab viele schwierige Situationen. Das war ein hoher Druck. Da muss man Steherqualitäten beweisen.

Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Vertrag bis zum Ende erfüllen werden?

Ich von meiner Seite auf jeden Fall.

ZUR PERSON

Hannes Ametsreiter ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der börsenotierten Telekom Austria. Zuvor war der gebürtige Salzburger, der Publizistik und Kommunikationswissenschaft sowie Sportwissenschaft studierte, Marketing-Vorstand bei der Handytochter Mobilkom, die inzwischen in den Konzern fusioniert ist. Der Vater von zwei Töchtern hat auch ein MBA-Studium an der Pepperdine University in den USA absolviert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

A woman makes a phone call behind a sign of Telekom Austria in Vienna
Österreich

Finanzdebakel: Telekom im Visier der Finanzmarktaufsicht

Hat die Telekom zu spät über die Probleme in Bulgarien, die einen hohen Verlust verursachen, informiert? Das untersucht die FMA genauso wie einen möglichen Verstoß von Aufsichtsratsvize Ronny Pecik.
Leitartikel

Der ahnungslose Werner Faymann und sein geschickter Berater

Schwache Politiker lassen ihre Berater an der langen Leine. Was dabei herauskommt, sehen wir gerade eindrucksvoll bei der ÖIAG und der Telekom.
Österreich

Wettbewerb: „Wir sind die Ersten, die vor Gericht ziehen“

BWB-Chef Thanner will nach der Machtübernahme von Carlos Slim bei der Telekom den Mobilfunkmarkt ins Visier nehmen.
PK TELEKOM AUSTRIA: 'FINANZERGEBNISSE & AKTIVITAeTEN 2012' / AMETSREITER
Österreich

Ametsreiter zu Bulgarien-Debakel: "Habe mir nichts vorzuwerfen"

Ein Finanzloch in Bulgarien beschert der Telekom Austria einen Rekordverlust. AK-Direktor Muhm ortet "dringenden Aufklärungsbedarf".
HAUPTVERSAMMLUNG DER TELEKOM AUSTRIA: AMETSREITER
Österreich

Finanzdebakel: Bulgarien färbt Telekom tiefrot

Ein Wertberichtigungsbedarf für die Mobiltel in Höhe von 400 Mio. Euro reißt die Telekom heuer in die Verlustzone. Das Engagement von Carlos Slim droht zu platzen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.