Russland: Sanktionen ziehen alle nach unten

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Mit dem Importverbot für Lebensmittel hat Kreml-Chef Putin das Sanktionenkarussell endgültig in Gang gesetzt. Österreichs Agrarbetriebe sind stark betroffen. Russische Konsumenten auch.

Wien. Mit Donnerstag wurde definitiv klar: Das Sanktionenkarussell ist nun vollends in Gang gesetzt, nachdem Russland sich zu einem Importstopp für Agrarprodukte aus der EU, den USA und anderen westlichen Staaten entschlossen hat. Hört man sich in der Wirtschaft um, so spricht man nicht von einem Karussell, sondern von einer Sanktionenspirale, die alle nach unten ziehe. Das weiß auch die Politik, die in Gestalt der EU-Kommission Moskaus Schritt als Revanche für die neuen EU-Sanktionen bedauert hat. Dmitrij Medwedjew, Russlands Premier, bedauerte auf seine Art: „Es war keine einfache Entscheidung, aber wir mussten es tun.“ Ein Jahr lang dürfen Obst, Gemüse, Fleisch sowie Molkereiprodukte aus dem Westen nicht mehr nach Russland exportiert werden.

Österreich stark betroffen

Das betrifft gerade auch Österreich, wie der heimische Handelsdelegierte in Moskau, Dietmar Fellner, der „Presse“ bestätigt hat: „Unseren Berechnungen zufolge verliert Österreich fast die Hälfte seiner Lebensmittelexporte nach Russland.“ Gehe man davon aus, dass Österreich im Vorjahr Lebensmittel im Wert von 237 Mio. Euro nach Russland geliefert hat, so würden aufgrund des jetzigen Importstopps heuer 103 bis 107Mio. Euro an Lebensmittelexporten wegfallen.

Das wirkt verkraftbar, bedenkt man, dass Österreich jährlich Lebensmittel im Wert von 9,5 Mrd. Euro weltweit exportiert. Allein, Russland ist ein stark wachsender Markt und außerhalb der EU für Österreich immerhin der drittwichtigste. Und Österreich ist stärker in Mitleidenschaft gezogen als der EU-Durchschnitt, der mit 36,8 Prozent seiner Exporte vom Importstopp betroffen ist.

Zorn und Ohmacht gehen um

Ein Rundruf unter den Agrarfirmen legt Zorn und Ohnmacht offen, die sich breitgemacht haben, zumal mancher Agrarbetrieb übermäßig stark vom Russland-Geschäft abhängt. „Was haben wir denn verbrochen, dass die Politik auf unserem Rücken ausgetragen wird?“, sagt Elfi Handlbauer, Geschäftsführerin des gleichnamigen oberösterreichischen Fleischproduzenten. Seit Russland mit Jahresbeginn den Schweinefleischimport zu stoppen begann, seien die Lager voll, und die Preise gingen nach unten, was auch die Bauern treffe, so Handlbauer. Nun werde auch noch der Import von Rindfleisch verboten.

Nicht nur der russische Importstopp belastet. Auch die vorherigen EU-Sanktionen betreffen 160 österreichische Firmen aus den Bereichen sensibler Hochtechnologie und Verteidigung. In Deutschland hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gestern erklärt, Hilfen für betroffene Firmen zu prüfen. „Das ist eine Frage, die auf EU-Ebene geklärt werden muss“, ist aus österreichischen Regierungskreisen zu erfahren. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter forderte die italienische EU-Ratspräsidentschaft auf, eine Sondersitzung der Agrarminister einzuberufen. Laut Euro-Notenbankchef Mario Draghi droht der Ukraine-Konflikt, gerade im Euroraum die Wirtschaft zu belasten. Produzenten erwarten einen Preisverfall bei den von Russland sanktionierten Waren.

Die Spirale dreht sich weiter

Derweil erwägt Russland laut Medwedjew auch ein Überflugverbot für westliche Fluggesellschaften auf dem Weg nach Asien. Sollte es dazu kommen, könnte die EU russischen Fluglinien den EU-Luftraum sperren, so Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, in einem Interview.

In Russland selbst hat Kreml-Chef Wladimir Putin vorgegeben, den Importstopp so zu gestalten, dass er von der eigenen Produktion abgefangen werden kann und zu keinem Preisanstieg führt. Aber allein der im Frühjahr verhängte Importstopp für Schweinefleisch habe die diesbezüglichen Preise um 20 Prozent gehoben, so die Investmentbank VTB-Capital. Ökonomen sprechen schon von einer Stagflation. Als Ersatzlieferanten hat Moskau Staaten Südamerikas bzw. die Türkei erkoren, die aber europäische Qualitätsprodukte nicht vollends ersetzen können. Am meisten betroffen sind höherpreisige Handelsketten, die mehr europäische Waren führen. Im Schnitt machen Importprodukte im russischen Lebensmittelhandel 25 bis 30 Prozent des Umsatzes aus.

Weitere Infos:www.diepresse.com/ukraine

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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