Bei der Integrationspolitik konzentrieren sich die Akteure auf die innenpolitische Ebene. Mit einer neuen Studie soll der Blick auf die transnationale Ebene gerichtet werden. Auch das Außenministerium in Wien denkt um.
Wien. Österreich und seine Migranten – man kann die Beziehung durchaus spitz Scheinehe nennen. Was die Integrationspolitik betrifft, ist spätestens seit der Institutionalisierung des Integrationsstaatssekretariats (2011) eine sachliche Diskussion eingetreten. Die Migrationspolitik – und darin sind sich fast alle Experten einig – bezieht sich aber mehrheitlich auf den innenpolitischen Aspekt, und hierbei dominiert die Idee der Anpassung.
Der Politikwissenschaftler Bernhard Perchinig vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien vergleicht diesen Zugang mit einer Brücke. Die Migranten gehen darüber, anschließend wird die Brücke zerstört: „Österreich hat in der Integrationspolitik den Bereich der Transnationalität ausgeklammert oder negativ bewertet.“ Dabei kann, so die Lesart, gerade dieses sperrige Wort die Integrationspolitik bereichern. Jene Migranten, die in Österreich leben, können die Funktion als Brückenbauer in ihre Herkunftsländer erfüllen. Denn die internationalen Kontakte der Zugezogenen würden selten genützt und unterstützt, so Perchinig. Wirtschaftstreibende und Akademiker könnten auf diese Weise ihr Know-how weitergeben bzw. den Austausch fördern. Zudem finden auch finanzielle Transfers statt, was wiederum heißt, dass die nach Österreich oder Europa emigrierten Personen den oft finanzschwachen Herkunftsländern Geldspritzen verpassen.
Diese transnationale Ebene der Migrationspolitik wird seit Kurzem mit dem EU-Projekt Ithaca untersucht, Österreich nimmt mit dem ICMPD teil. Dabei werden Beziehungen der Migranten in ihre Herkunftsländer näher beleuchtet; im Fall von Österreich sind es die Einwanderer aus Bosnien, der Ukraine, Indien und den Philippinen. Aus den ersten Interviews mit indischen Migranten habe man etwa feststellen können, dass es einen Unterschied zwischen nord- und südindischen Zuwanderern gibt.
Während aus dem Süden des Landes viele ausgebildete Menschen kamen, etwa Krankenpfleger, die nach ihrer Ankunft in Österreich ein stabileres Umfeld haben und nur mehr sporadischen Kontakt nach Indien halten, waren die Migranten aus dem Norden weniger qualifiziert und haben ein niedrigeres Einkommen. Aber hier sind die Verbindungen nach Indien intensiver, auch wird mehr Geld dorthin geschickt. Zwar müssen noch weitere Interviews geführt werden, so Perchinig, aber eine Sache fällt auf: Der Mangel an Integration fördert die Transnationalität. Das heißt im Umkehrschluss, dass das Wort Integration in einen breiteren Kontext gefasst werden muss.
„Botschafter“ in Ankara
Eine Brückenbauerfunktion auf internationaler Ebene übernimmt auch der Integrationsbotschafter, der in der österreichischen Vertretung in Ankara im Einsatz ist: Der „Botschafter“ dient als Ansprechpartner für diejenigen, die nach Österreich ziehen wollen. Besprochen werden Themen wie Spracherwerb, Arbeitsmöglichkeiten usw. Unter der Devise „Integration von Anfang an“ sollen die Betroffenen bereits vor dem Zuzug kontaktiert, der Austausch gestärkt werden.
Derzeit wird im Außenministerium überlegt, solche Integrationsbotschafter in weiteren Vertretungen einzusetzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2014)