Camerons Plan für sofortigen Passentzug stößt auf Rechtshürden

(c) APA/EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA
  • Drucken

Aufgescheucht von britischen Jihadisten plädiert der Premier für Verschärfung der Antiterrorgesetze.

Wien/London. Der morgige Nato-Gipfel im walisischen Newport warf bereits seine Schatten voraus, als die britische Innenministerin, Theresa May, neulich die Terrorwarnstufe im Königreich aufs zweithöchste Level anhob – von substanziell auf ernst. Sie beeilte sich hinzuzufügen, dass momentan kein konkreter Hinweis vorliege. Grund genug, ihre Landsleute, denen die Anschläge auf Busse und die U-Bahn in London im Jahr 2005 noch in den Knochen stecken, zur Vorsicht zu mahnen.

Denn seit der Bestürzung über das Enthauptungsvideo des Islamischen Staats (IS) und der Enthüllungen über den britischen Henker Jihad John, einen angeblich 23-jährigen Sohn einer ägyptischen Immigrantenfamilie und früheren Hip-Hopper, grassiert im Land wieder die Terrorangst. 500 britische Jihadisten, so die Schätzung der Geheimdienste, hätten sich dem Feldzug der Islamisten in Syrien und im Irak angeschlossen, 250 seien wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die Regierung war in hohem Maß alarmiert, und nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub in Cornwall trommelte Premier David Cameron die Medien in seinem Dienstsitz in Downing Street 10 zusammen, um vollmundig – und ein wenig vorschnell, wie sich herausstellen sollte – eine Verschärfung der Antiterrormaßnahmen anzukündigen. Der Kampf gegen den islamischen Extremismus werde Generationen andauern, erklärte er.

Was er wenige Tage später im Parlament in Westminister vorstellte, unterschied sich jedoch zumindest in einer Schlüsselpassage von seinem ersten Entwurf. Nicht nur sollten die Fluglinien – nach Vorbild der USA – rechtzeitig ihre Passagierlisten den britischen Behörden offenlegen; nicht nur sollten mutmaßliche Terroristen und Verdächtige in einen anderen Teil des Landes transferiert werden, um sie aus ihrem Netzwerk herauszulösen. Der Polizei und den Grenzbeamten sollte auch die Möglichkeit haben, Terrorverdächtigen bei der Ausreise – und erst recht – bei der Einreise die Pässe und damit auch ihre Nationalität auf Dauer zu entziehen. Bisher ist der Polizei ein so gravierender Eingriff lediglich für einen Zeitraum von 30 Tagen gestattet.

Das ging Topjuristen der Regierung und dem Koalitionspartner der Konservativen, den Liberaldemokraten, zu weit. Vizepremier Nick Clegg bremste den Eifer des Regierungschefs: Die Maßnahme würde gegen nationales wie internationales Recht verstoßen und womöglich einer Klage nicht standhalten,. Vor drei Jahren lockerte Großbritannien die Antiterrorgesetze die die Labour-Regierung Tony Blairs in den Nachwehen der 9/11-Anschläge durchgeboxt hatte. Immer noch reicht die Gewalt der Legislative aus, einen Bombenbauer wegen eines Terrorplans für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu stecken.

Deutlichstes Signal für das Misstrauen der Briten und für die Skepsis an Militäraktionen à la Irak war im Vorjahr Camerons Schlappe im Parlament, als ihm die Mehrheit der Abgeordneten die Gefolgschaft für etwaige Luftangriffe in Syrien verweigerte – eine Blamage für die forsche Politik des Tory-Premiers. Eine mögliche britische Beteiligung an Luftschlägen gegen den IS, wie sie in der Luft liegen, hängen Cameron und Clegg daher nicht mehr an die große Glocke.

Mit David Anderson hat die Regierung einen Experten für die Überprüfung der Terrorgesetzgebung installiert. Gegenüber der BBC hat er nicht nur rechtliche Einwände gegen die umstrittene Maßnahme vorgebracht, sondern auch praktische: „Wo soll das Gesetz zur Anwendung kommen? In der Türkei, wenn die verdächtige Person sich auf dem Rückweg aus Syrien befindet?“ Zugleich würde man sich eines Problems entledigen, indem man es an ein anderes Land weiterreicht. Im umgekehrten Fall würde dies genauso gelten.

Inzwischen ist auch David Cameron zurückgerudert. In Gesprächen unter anderem mit der Opposition unterzieht er den Gesetzeskatalog einer Revision. Es ist ein weiterer Rückschlag für den Premier. Schottland bereitete ihm zuletzt einen rauen Empfang, als er auf feindlichem Tory-Territorium – die Konservativen stellen dort nur einen Abgeordneten – für einen Verbleib der aufmüpfigen Schotten bei Großbritannien warb. Jüngst lief ein Parlamentarier zur Independence Party über, die den EU-Austritt auf ihre Fahnen geschrieben hat – Vorgeschmack auf eine Palastrevolte in der Europapolitik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.