Der 27-jährige frühere Paralympics-Star bleibt aber gegen Kaution in Freiheit.
Denn das Strafmaß soll erst in einigen Wochen verkündet werden.
Scheinbar teilnahmlos stand Oscar Pistorius im Gerichtssaal in Pretoria, als die Richterin das Urteil verkündete: Der 27-Jährige wurde der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Bis zur Verkündung des Strafmaßes bleibt Pistorius aber ein in Freiheit. Damit setzte sich sein Verteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft durch, die sich gegen eine Verlängerung der Kautionsregelung ausgesprochen hatte. Das Strafmaß soll ab dem 13. Oktober verkündet werden.
Nach 41 Verhandlungstagen und 35 Zeugenbefragungen hat es Richterin Thokozile Masipa als erwiesen gesehen, dass der ehemalige südafrikanische Paralympics-Star seine Freundin Reeva Steenkamp am 14. Februar 2013 nicht vorsätzlich durch die geschlossen WC-Tür erschossen habe. Er habe offebar gedacht, "dass es sich um einen Einbrecher gehandelt habe", so die Richterin.
Jede Bewegung wurde gespannt von Angehörigen und von Journalisten aus aller Welt verfolgt: Nach der Urteilsverlesung lehnte sich Pistorius nach vorn, rieb sich die Augen und nahm einen Schluck aus einer Wasserflasche. Scheinbar gefasst vernahm er die Erklärung der Richterin im vollen Gerichtssaal in Pretoria. Pistorius drohen 15 Jahre Gefängnis. Rechtsexperten meinen, dass das "übliche" Strafausmaß in diesen Fällen fünf bis acht Jahren betragen könnte.
Der Sportler hatte die tödlichen Schüsse auf seine damalige Freundin zwar nie bestritten, allerdings stets argumentiert, er habe sie für einen Einbrecher gehalten. Neben der fährlässigen Tötung an Steenkamp musste sich Pistorius auch wegen des illegalen Besitzes von Munition verantworten. Von diesem Vorwurf wurde er frei gesprochen. Außerdem soll der Angeklagte zweimal in der Öffentlichkeit eine Waffe abgefeuert haben einmal während eines Restaurantbesuches in Johannesburg im Jänner 2013, ein anderes Mal soll er im November 2012 aus seinem Auto heraus geschossen haben. In einem Fall wurde Pistorius schuldig gesprochen, im anderen frei.
Vater verließ Gerichtssaal
Nach der Urteilsverlesung ordnete die Richterin eine kurze Pause an. Pistorius umarmte seine Schwester in Tränen. Steenkamps Eltern und Freunde waren ebenfalls im Gerichtssaal anwesend: Ihr Vater verließ sofort den Gerichtssaal. Familie und Freunde der Getöteten brachen in Tränen aus, einige äußerten scheinbar ihren Unmut über das Urteil.
Einen Tag zuvor hatte die Richterin den Sportler vom Vorwurf des Mordes freigesprochen: Sie schilderte zunächst die Ereignisse der Tatnacht. Sie wiederholte Aussagen des Angeklagten und kommentierte Zeugenaussagen, etwa zu den Schüssen in der Tatnacht. Sie bezeichnete einige Aussagen als „unglaubwürdig“. Zeugen könnten sich aus vielerlei Gründen getäuscht haben – dabei bezog sie sich auf Schüsse und Schreie, die einige Nachbarn in der Tatnacht hörten.
Kein Streit vor Tat
Weiters sah die Richterin keine Anzeichen für einen Streit vor der Tat. Auch die WhatsApp-Nachrichten des Paares, die sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft für ihre Argumentation heranzogen, deuteten nicht darauf hin. „Beziehungen sind dynamisch“, so Masipa. Sie stützte sich lediglich auf objektive technische Beweise für die zeitlichen Abläufe in der Tatnacht, unter anderem die verzeichneten Anrufe bei Not- und Sicherheitsdiensten.
Die Richterin schloss einen vorsätzlichen Mord aus. „Die Fakten reichen nicht aus, um diese These zu stützen“, so Masipa. Es sei jedoch seine „bewusste Entscheidung“ gewesen, als er vier Schüsse durch die geschlossene Toilettentür abgegeben hat, so die Richterin. Er hätte genug Zeit gehabt, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, bevor er schoss etwa vom Balkon aus um Hilfe zu rufen oder die Security anzurufen. Seine Angst vor dem Einbrecher sei zwar eine Erklärung, aber keine Rechtfertigung. Pistorius' Anwalt versuchte im Prozess, seine Angst mit der hohen Kriminalitätsrate in Südafrika und seiner Behinderung zu erklären.
Der angeklagte Sportstar litt nach Aussage der Richterin zur Tatzeit auch nicht unter einer mentalen Störung. „Er wusste, was richtig und was falsch war. Es ist eindeutig, dass er fahrlässig handelte.“ Außerdem kritisierte sie sein Verhalten vor Gericht. Er war ein „schwacher“ Zeuge, der sich immer wieder in Widersprüche verstrickt hat und während des Prozesses ausweichend antwortete.
Tiefer Fall nach Karriere
Oscar Pistorius hat Sportgeschichte geschrieben: 2011 wurde er als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert. 2012 startete er als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte bei den Spielen in London und erreichte das 400-Meter-Halbfinale. Doch seine sportlichen Erfolge sind seit dem 14. Februar 2013 in den Hintergrund gerückt.
(red)