Pistorius-Prozess: Wut nach mildem Richterspruch

Jane Steenkamp tröstet ihre Cousine nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen Oscar Pistorius in Pretoria.
Jane Steenkamp tröstet ihre Cousine nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen Oscar Pistorius in Pretoria.(c) REUTERS
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Bevölkerung und Presse reagieren mit Unverständnis auf das Ureil. Steenkamps Familie glaubt der Version des Sportlers nicht.

Das Urteil gegen Paralympics-Star Oscar Pistorius hat in Südafrika ungläubige und wütende Reaktionen ausgelöst. Richterin Thokozile Masipa hatte den 27-Jährigen am Freitag wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, aber vom Vorwurf des Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp freigesprochen. Große Zeitungen des Landes machten am Samstag deutlich, dass sie auf eine härtere Entscheidung gehofft hatten.

Die meisten Blätter veröffentlichten dazu wenig vorteilhafte Fotos des 27-Jährigen, auf denen er teilweise weinend zu sehen ist. So schrieb die Zeitung "New Age" mit ironischem Unterton von "Tränen der Erleichterung", während die "Pretoria News" in großen Lettern "Oscar's great escape" (auf Deutsch etwa: Oscars großes Entkommen) titelte. Der "Citizen" hatte schon am Freitag gefordert: "Sperrt ihn ein!" und setzte am Samstag mit dem Wort "Schande" nach.

"Da fehlt noch immer etwas"

Wie viele Südafrikaner zeigte die Zeitung "Beeld" vor allem Solidarität mit der Familie des Opfers: "Reevas Eltern können es nicht glauben", schrieb das auf Afrikaans erscheinende Blatt. Pistorius hatte seine 29-jährige Freundin in der Nacht auf den Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Tür erschosse, weil er sie nach eigenen Angaben für einen Einbrecher hielt.

Auch der Vater der getöteten Reeva Steenkamp stellte die Version Von Pistorius zum Ablauf der Todesnacht infrage. "Da fehlt noch immer etwas", sagte Barry Steenkamp dem britischen Sender ITV News am Freitag. Zu der gesamten Geschichte, die damit endete, dass seine Tochter von Pistorius erschossen worden sei, gehöre "noch mehr".

Reevas Mutter June sagte dem Sender, nachdem Pistorius vom Vorwurf des Mordes und des Totschlags seiner Freundin entlastet worden sei, sei die Familie "geschockt" und "enttäuscht" gewesen. Es zerreiße ihr das Herz, denn alles, was sie wolle, sei "die Wahrheit", sagte sie. 

Schon kurz nach der Urteilsverkündung hatte June Steenkamp im Gespräch mit dem Sender NBC News die Gerichtsentscheidung als "nicht richtig" bezeichnet. Ihre Tochter sei auf "grausame, schmerzvolle und schreckliche" Weise getötet worden und sie könne nicht glauben, dass das Gericht der Meinung sei, dies sei ein Unfall gewesen.

Strafausmaß noch offen

Auch Rechtsexperten waren überrascht von der Entscheidung. Der Strafrechtler Lovell Fernandez aus Kapstadt sprach von einem "umstrittenen Urteil, das bei der Bevölkerung großen Ärger ausgelöst hat". Viele im Land sind überzeugt, dass der Sportler nur deshalb einem härteren Urteil entgangen ist, weil er berühmt und reich ist.

Pistorius bleibt bis zur Verkündung des Strafmaßes, die nach dem 13. Oktober geplant ist, gegen Kaution in Freiheit. Im schlimmsten Fall erwartet den unterschenkelamputierten Sprinter eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis, aber auch eine Bewährungsstrafe ist möglich.

(APA/dpa/AFP)

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