Metallerlohnrunde: Der Finanzminister sitzt mit am Tisch

Da Lohnerhöhungen derzeit einfach wegversteuert werden, beginnt die eigentliche Nettolohnrunde heute bei der Regierungsklausur in Schladming.

Gestern begann in Wien ein seit Jahrzehnten fix eingespieltes Herbstritual: Die Metallergewerkschaft übergibt den Arbeitgebern ein Papier mit unverschämt hohen Lohnforderungen, die Arbeitgebervertreter stellen ein unanständig mickriges Gegenangebot. Dann wird in mehreren, meist nächtlichen Verhandlungsrunden samt traditionell-rituellem Würstelessen so lange gefeilscht, bis am Ende ein Ergebnis steht, mit dem beide gut leben können. Ein eingespieltes österreichisches Sozialpartnerritual. Eines, das am wirtschaftlichen Erfolg des Landes nicht ganz unbeteiligt war und ist.

Diesmal wird es vielleicht ein wenig schwieriger als sonst. Denn die Gewerkschafter können zu Recht argumentieren, dass ihnen nach fünf Jahren Reallohnverlust langsam der Geduldsfaden reißt. Die Arbeitgebervertreter können dagegenhalten, dass das nur zu geringem Teil an ihnen liegt: Sie haben in diesen Jahren mit ihren Bruttolohnerhöhungen die Inflation beinahe abdeckt. Von 2010 bis 2013 stiegen die Bruttolöhne pro Kopf kumuliert um 7,3 Prozent, die Inflation legte um 7,9Prozent zu.

Dass die Nettoreallöhne gleichzeitig um 4,2 Prozent zurückgegangen sind, die Leute also dramatisch weniger netto im Börsel haben als 2010, hat einen einfachen Grund: die kalte Progression. Die Lohnsteuereinnahmen des Bundes sind in den vier Jahren um 1,3 Mrd. Euro stärker gestiegen, als das der Fall gewesen wäre, wenn sie prozentuell im gleichen Ausmaß wie die Bruttolöhne zugelegt hätten.

Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Was immer die rot-schwarzen Sozialpartner an Lohnerhöhungen für ihre Schützlinge aushandeln, die mit Sozialpartnervertretern durchsetzte rot-schwarze Regierung zieht es ihnen umgehend wieder aus der Tasche. So wird das Ritual der Lohnverhandler zur sinnlosen Übung. Wegen Bruttolohnverhandlungen, die man ohnehin gleich wieder vollständig wegversteuert, muss wirklich niemand nächtelang bei Würsteln herumpalavern.

Interessanter als die gestern gestartete Metallerlohnrunde (die ja als eine Art Leitlinie für alle folgenden Branchenverhandlungen gilt) ist also die heute, Freitag, in Schladming startende Nettolohnrunde. Da will sich die Regierung ja zumindest auf Volumen und Zeitplan für die Steuerreform festlegen. Einen richtigen Plan haben die Herrschaften noch nicht. Bisher liegen ein Konzept der Industriellenvereinigung und der Uns-wurscht-wer-das-zahlt-Vorschlag von ÖGB/Arbeiterkammer vor.

Der Regierung selbst ist außer Schlagwörtern („Große Steuerreform“, „Entlastung der Arbeitskosten“), die, wie ein Blick ins Archiv zeigt, seit ungefähr 2009 durch die Medien geistern, noch nicht viel eingefallen. Kann aber noch werden: Die Regierung Faymann ist ja erst seit sechs Jahren im Amt und jetzt wird, wie wir gehört haben, sowieso, diesmal aber wirklich, alles ganz anders.


Es wird aber auch schwieriger: Der von den Wirtschaftsforschern seit Ausbruch der Krise regelmäßig für „nächstes Jahr“ versprochene Aufschwung will einfach nicht kommen. Die heimische Wirtschaft stagniert de facto und steht an der Kippe zur Rezession. Das heißt, dass die für den „Budgetpfad“ eingeplanten Einnahmen wohl nicht wie gewünscht sprudeln werden und die Regierung höllisch wird aufpassen müssen, von ebendiesem Pfad nicht abzukommen. Da wird die Bereitschaft für den ganz großen Wurf enden wollend sein.

Eine saftige Korrektur bei den Lohn- und Einkommensteuern verträgt aber keinen Aufschub mehr, wenn man den privaten Konsum nicht vollends abwürgen will. Der viel gescholtene Lopatka-Vorschlag, dafür geliehenes Geld in die Hand zu nehmen, ist da gar nicht so abwegig. Aber nur unter einer Bedingung: Wenn die Ausgabenreformen samt Umsetzung für eine brauchbare Gegenfinanzierung im Detail beschlossen und gesetzlich abgesichert sind. Dann wäre das kein hinausgeschmissenes Geld, sondern eine sinnvolle, in der Anfangsphase eben fremdfinanzierte Investition, die sich selbst trägt. Das wäre eine Steuerreform, von der die Wirtschaft etwas hätte und die auch die Metaller im Börsel spüren würden. Traut sich das jemand zu?

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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