Unterwegs

Couchsurfing
CouchsurfingClemens Fabry
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Das Übernachten in privaten Quartieren liegt voll im Trend. Wir finden das voll anstrengend.

Für zeitgemäße Zeitgenossen hat das Hotel als Urlaubsdomizil ausgedient. Es gilt nun als anonym, steril und unpersönlich. Jauchzend werfen wir uns in die Arme von wildfremden Menschen, in deren höchst privaten Gefilden wir uns ganz wie zu Hause fühlen wollen. Ob Gästezimmer, Airbnb oder Couchsurfing: Immer geht es darum, Anschluss an Land und irgendwelche Leute zu finden. Ein Wagnis, gewiss. Es inkludiert oft Anschluss an kleptomanische Kinder oder sabbernde Hunde. Und vielerorts auch den Verzicht auf das heimische Reinheitsgebot.

Aber mit all dem könnten wir leben, wäre da nicht der unmenschliche Stress am jungfräulichen Morgen. Der Kontakt zu den reizenden Gastgebern findet ja immer beim Frühstück statt. Zu Hause eine Zeit, in der wir vor dem dritten Kaffee keinen geraden Satz artikulieren können. Hier aber müssen wir Konversation machen, so mühsam wie auf einer Cocktailparty. Und das auch noch auf Ausländisch, weil wir Kosmopoliten ja nicht in die Ramsau reisen.

Im schlimmsten, typisch französischen Fall sitzen wir eine Stunde lang mit anderen Gästen um eine Table d'Hôte, kauen am Kaugummibaguette, parlieren fremdsprachig gequält und strengen uns an wie auf einer Podiumsdiskussion. Zum Schluss überschüttet uns die wortgewaltige Wirtin mit Tipps zu Einkaufen, Essen und kulturellen Kleinoden. Wir sind ebenso gerührt wie geschafft und fallen zurück in das Bett, dem wir eben erst entstiegen sind.

Dort träumen wir von früher: von diesen schrecklichen Hotels, in denen man uns frühmorgens noch die Gnade des Schweigens gewährte.

Mail: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

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