Die ersten 16 steirischen Orte blitzten mit ihren Anträgen gegen eine Zusammenlegung ab. Es gebe „kein Recht auf ungestörte Existenz für einzelne Gemeinden“, betont der VfGH.
Wien. Mit allen Mitteln versuchen steirische Gemeinden, der von der Landespolitik verordneten Zusammenlegung zu entrinnen. So argumentierte man vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) sogar damit, dass im Beschluss über Fusionen die Einleitungsformel „Der Landtag hat beschlossen“ fehlte. Zu gewinnen war mit dem Argument aber nichts. Schließlich hatte der Landtag sicherheitshalber die Beschlüsse noch einmal kundgemacht – samt Einleitungstext.
Der VfGH verlautbarte am Dienstag seine ersten Entscheidungen über steirische Gemeindefusionen. Auch wenn bisher nur über Anträge von 16 der insgesamt 42beschwerdeführenden Gemeinden geurteilt wurde, lässt sich schon jetzt eine klare Linie des Gerichts ableiten. Denn in allen der bisher entschiedenen Fällen blitzten die Orte mit ihren Anträgen ab.
„Die Verfassung garantiert der einzelnen Gemeinde kein Recht auf ungestörte Existenz“, betonte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger. Er fasste bei der Präsentation der Urteile die grundsätzlichen Aussagen des Höchstgerichts zusammen. So stellten die Höchstrichter etwa fest, dass der Landesgesetzgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum hat.
Nur wenn eine Zusammenlegung „völlig untauglich“ zur Erreichung der Reformziele ist, könne ein Protest vor Gericht erfolgreich sein. Als Beispiel nannte Holzinger den fiktiven Fall einer Zusammenlegung, bei der die Gemeinden 20Kilometer entfernt sind, es keine gute Straßenverbindung gibt, aber ein unüberwindbar hoher Berg die beiden Gemeinden trennt.
Keine unsachliche Fusion
Derart krasse Fälle konnten die beschwerdeführenden Gemeinden aber nicht geltend machen. Überhaupt werde eine Zusammenlegung von Kleinstgemeinden (unter 1000 Einwohner) in der Regel immer sachlich gerechtfertigt sein, meinte Holzinger. Auch finanzielle Probleme sowie künftige Einsparungen, weil Schulen oder Gemeindeamt fusioniert werden, seien legitime Gründe für Gemeindezusammenlegungen.
Neu ist diese Judikaturlinie des VfGH freilich nicht. Schon in den 1960er- und 1970ern hatte das Höchstgericht die Grundpfeiler in der Frage der Gemeindefusionen eingeschlagen. Politisch bedeutsam sind die nunmehrigen VfGH-Erkenntnisse aber allemal: Im nächsten Jahr finden in der Steiermark sowohl Gemeinderatswahlen (März) als auch Landtagswahlen (vermutlich im Oktober) statt. Und in den betroffenen Gemeinden regten sich schon bisher Proteste gegen die rot-schwarze Koalition in Graz. Bei der Nationalratswahl 2013 wurde in der Steiermark die FPÖ stimmenstärkste Partei. Hätte der VfGH Gemeindefusionen für rechtswidrig erklärt, hätte dies das Ansehen der steirischen Reformregierung beschädigt.
Voves: „Stolz und glücklich“
So aber konnte diese frohlocken: „Das ist ein Tag, der uns glücklich und stolz macht. Denn der VfGH machte klar, dass man auf Gesetzesbasis gestalten kann, wenn man den Mut aufbringt“, erklärte Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ). Auch ÖVP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer reagierte erleichtert: „Der Hauptvorwurf war ja jener des Drüberfahrens. Der VfGH hat nun geurteilt, dies ist nicht zutreffend.“ Er strecke die Hand aus und hoffe, dass die Chefs der betroffenen Orte dieses Angebot annehmen, sagte Schützenhöfer. Ob er bei der Landtagswahl antritt, ist noch offen. Voves hat bereits angekündigt, erneut zu kandidieren.
Die Gemeindefusionen treten ab Jänner 2015 in Kraft. Mit ihren Anträgen dagegen sind nun die Gemeinden von Waldbach, Ganz, Parschlug, Tragöß, Eisbach, Tauplitz, Pichl-Kainisch, Altenmarkt bei Fürstenfeld, Etzersdorf-Rollsdorf, Saifen-Boden, St.Marein bei Neumarkt, Rohrmoos-Untertal, Pichl-Preunegg, Etmißl, Raaba und Grambach beim Verfassungsgerichtshof abgeblitzt.
Weitere Urteile folgen bald
Über die noch 26 offenen Anträge von Gemeinden will das Höchstgericht schnellstmöglich urteilen. Jeder Fall muss einzeln geprüft werden, allerdings dürfen sich die Gemeinden nach den bisherigen Entscheidungen keine große Aussicht auf Erfolg machen.
AUF EINEN BLICK
Der Verfassungsgerichtshof wies die ersten Anträge von steirischen Orten gegen Gemeindefusionen ab. Das Höchstgericht betonte, dass der Landtag Gemeindezusammenlegungen beschließen darf, solange diese nicht „aufgrund ganz besonderer Umstände vorhersehbar völlig untauglich“ sind. Die Ziele, die das Land Steiermark durch die Zusammenlegung verfolgt (leistungsfähigere Gemeinden, Reaktion auf demografische Entwicklung, bessere Nutzung der Infrastruktur), seien verfassungsrechtlich legitim.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2014)