Urteil: Fünf Jahre Haft für Pistorius

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Der südafrikanische Laufsportler muss wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin, Reeva Steenkamp, für fünf Jahre ins Gefängnis. Oscar Pistorius will das Urteil akzeptieren.

Pretoria. Nahezu regungslos vernahm Oscar Pistorius am Dienstag das Strafausmaß im Gerichtssaal in Pretoria. Wie immer erschien er auch an diesem Tag im schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte. Mit versteinerter Miene folgte der Paralympics-Star zunächst der gut einstündigen Urteilsverkündung von Richterin Thokozile Masipa.

Als sie verkündete, dass er für die fahrlässige Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp im Februar 2013 für bis zu fünf Jahre ins Gefängnis muss, wischte sich der 27-Jährige eine Träne aus dem Gesicht – eine gedämpfte Reaktion, war er doch während des Prozesses wiederholt in Tränen ausgebrochen. Aber auch seine und Steenkamps Familie zeigten keine Reaktion. Noch im Gerichtssaal wurde Pistorius festgenommen, seine Fingerabdrücke ließ er sich von einem Beamten abnehmen. Dann verabschiedete er sich von seiner Familie und wurde abgeführt.

Reue als Strafmilderung

Auf das Strafausmaß als letzten Akt in dem spektakulären Mordprozess wurde seit Wochen gewartet. In den insgesamt 41 Verhandlungstagen und durch 35 Zeugenbefragungen war der Hergang der Tatnacht sorgfältig aufgerollt worden: Der Sportler, der ohne Unterschenkel zur Welt kam und mit so etwas wie Federbeinen aus Metall läuft, erschoss Steenkamp in der Nacht auf den Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Badezimmertür. Er hatte die Schüsse zwar nie bestritten, allerdings stets argumentiert, er habe sie für einen Einbrecher gehalten. Das Gericht glaubte ihm und wies das Argument der Anklage, dass das Paar zuvor gestritten hatte, von sich. Die Mordanklage ließ Richterin Masipa bereits Mitte September fallen.

Dass er aber grob fahrlässig gehandelt hatte, betonte Masipa noch einmal bei der Verkündung des Strafmaßes am Dienstag. Er hätte wissen müssen, dass es für die Person hinter der Tür kein Entkommen geben konnte. Mildernd waren für die Richterin bei der Entscheidung über das Ausmaß der Strafe die Tatsache, dass Pistorius zum ersten Mal vor Gericht stand, seine Reue und auch sein bisheriges Leben, in dem er sich auch karitativ stark engagiert hatte.

Die Entscheidung über das Strafmaß sei allein ihre gewesen. Die Strafe sollte „fair und gerecht gegenüber der Gesellschaft und dem Angeklagten sein“, so Masipa. Sie sollte nicht zu hart ausfallen, um dem Verurteilten eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, und nicht zu gering, um der Gesellschaft nicht den Glauben an die Justiz zu nehmen.

Wegen illegalen Waffengebrauchs wurde er zudem zu drei weiteren Jahren Haft verurteilt. Dieser Teil der Strafe wurde auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Pistorius hatte früher zweimal in der Öffentlichkeit eine Waffe abgefeuert – einmal während eines Restaurantbesuchs in Johannesburg im Jänner 2013, ein anderes Mal soll er im November 2012 aus seinem Auto geschossen haben.

„Gerechtigkeit Genüge getan“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach der Verkündung des Strafmaßes haben weder Staatsanwalt Gerrie Nel noch Pistorius' Anwalt Barry Roux Berufung eingelegt. Sie haben dafür bis zu zwei Wochen Zeit. Pistorius dürfte hingegen das Urteil akzeptiert haben: „Oscar wird diese Möglichkeit nutzen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, sagte Pistorius' Onkel vor Journalisten. Auch Steenkamps Familie zeigte sich zufrieden mit dem Strafausmaß. Barry Steenkamp, Reevas Vater, betonte: „Wir haben das Gefühl, dies nun hinter uns lassen zu können.“ Und der Anwalt der Familie, Dup De Bruyn, betonte: „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.“

Wie lange der Sportler tatsächlich ins Gefängnis muss, blieb am Dienstag unklar. Sein Verteidiger rechnet mit nur zehn Monaten, den Rest könnte er im Hausarrest verbüßen. Die Staatsanwaltschaft erklärte, Pistorius müsse mindestens ein Drittel der Strafzeit, also 20 Monate, ins Gefängnis. Ein Sprecher der Nationalen Strafverfolgungsbehörde kündigte zudem an, dass geprüft werde, ob Pistorius doch noch wegen Mordes verurteilt werden muss. Pistorius tritt seine Haft vermutlich in der Krankenstation des Zentralgefängnisses in Pretoria an.

ZUR PERSON

Oscar Pistorius kommt im November 1986 durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten auf die Welt. Im Alter von elf Monaten werden ihm beide Beine unterhalb der Knie amputiert. 2011 wird Pistorius als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert. 2012 schafft er es als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte bei den Spielen in London in das 400-Meter-Halbfinale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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