Ökologisches Bauen: Der Natur abgeschaut

Moderne Konzepte setzen auf Energieeffizienz und natürliche Materialien, radikale Ansätze gehen aber auch weiter. Letztlich entscheidet der Bauherr.

Wenn es um Baubiologie und Nachhaltigkeit geht, macht der Kärntner Architekt Wolfgang Lackner ungern Kompromisse. Mit seinem neuesten Konzept verfolgt er aber einen besonders radikalen Ansatz – und sprengt dabei auch branchenübliche Grenzen. Bei dem von ihm entworfenen EinBaumHaus fließen bereits in die Planung die direkt vor Ort zur Verfügung stehenden Ressourcen ein – Steine, Schotter, Erde und Gras vom Aushub, Brauchwasser aus dem nahe gelegenen Bach oder einer Quelle, Bauholz aus dem angrenzenden Wald, Lehm und Stroh, so weit es geht, aus der direkten Umgebung.

Gegner des „Bauwahns“

An die klimatischen Verhältnisse des Alpenraumes angepasst, sind die wesentlichen Hausteile auf eine Mindestlebensdauer von 100 Jahren ausgelegt. Danach darf die Natur ihren Lauf nehmen: Nach der Entfernung von Feuchtigkeitssperren und Installationen ist das EinBaumHaus fast vollständig kompostierbar.
Den Grundsätzen „Alles außer gewöhnlich“ und „möglichst regional“ folgen auch Design und Architektur. „Jedes Haus ist ein Unikat, der Anteil an Handarbeit soll mit naturgewachsenem Holz, weichen und fließenden Formen spürbar sein. Den Teil der Einrichtung, der nicht aus hochwertigen Fundstücken besteht, fertigt ein Kunsttischler vor Ort an“, so Lackner, der mit dem EinBaumHaus ein Zeichen setzen möchte: „Wir lehnen uns auf gegen den klassischen Bauwahn und all die Normen, die damit verbunden sind.“ Eine Vision, deren Realisierung aber einstweilen noch von der Resonanz von außen abhängt. Denn bisher gibt es nur das Konzept: Finanziert werden soll das erste EinBaumHaus mit einem veranschlagten Budget von 50.000 Euro über eine Crowdfunding-Kampagne, die am 1. November auf startnext.de startet.

Holz, Ton, Lehm

Mit deutlich konventionelleren Vorstellungen machten sich die Baubiologen und Konzeptverantwortlichen des deutschen Esendo-Bausystems an die Arbeit. Doch auch hier stand am Anfang eine ähnliche Fragestellung wie bei Lackner: Wie muss ein Haus sein, das zugleich Ressourcen und Umwelt schont, massiv gebaut ist, ein angenehmes Raumklima erzeugt, lange seinen Wert erhält und bei all dem bezahlbar bleibt? Entstanden ist das Konzept eines Biohauses aus einem Massivholzkern, der mit Lehmbauplatten und Ton veredelt wird. „Die Massivholzmauern werden dabei komplett vorgefertigt, wodurch die Rohbauzeit nur mehr drei Tage beträgt“, erläutert Marcus Wagner von Esendo das Prinzip. „Da keine Feuchtigkeit in die Konstruktion gelangt, kann sofort mit dem Ausbau begonnen werden. Holz, Lehm und Ton sorgen für das richtige Maß an Luftfeuchtigkeit im Raum.“ Während Lehm und Ton kurzfristig auftretende Feuchtigkeitsspitzen abfangen, soll der massive Holzkern die Luftfeuchte im Jahresverlauf ausgleichen. Die Bio-Vollholzwände und das massive Holzdach halten die Innenräume an heißen Tagen kühl. Ein biologisches Wandheizungssystem soll für Wärmestrahlung nach dem Kachelofenprinzip sorgen. „Lehm und Ton regulieren nicht nur Luftfeuchtigkeit und Temperatur, sondern absorbieren auch Schadstoffe. Allergiker können somit tief durchatmen“, beschreibt Wagner die besondere Charakteristik.

Abspecken bei der Technik

Immer häufiger geht bei auf Nachhaltigkeit und ökologische Materialwahl ausgerichteten Bauvorhaben auch der Wunsch nach einer möglichst reduzierten Haustechnik einher. Das Architektenteam Unterrainer/Lauritsch hat auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn ein solches Lowtech-Einfamilienhaus in Hard, Vorarlberg, konzipiert. „Nicht die umfangreiche und teure Haustechnik macht ein energieeffizientes Gebäude aus, sondern ein gut geplantes Gebäude mit minimierten Wärmeverlusten“, sind die Architekten überzeugt. Dafür Sorge tragen unter anderem ein Heizkonzept mit Solaranlage für Warmwasser sowie ein Holzherd zum Kochen und Heizen mit Anschluss an den Schichtenspeicher. Hinzu kommen ein Lüftungskonzept mit speziellen Kastenfenstern, ein Solarkamin als stromfreie Alternative zu kontrollierter Be- und Entlüftung sowie ein sparsames Wassernutzungskonzept durch eigene Regenwasserzisterne für die Bewirtschaftung von Garten und Gewächshaus. Einzige Ausnahme zum Lowtech-Ansatz: eine Fotovoltaikanlage, die mehr Strom erzeugt, als im Jahr verbraucht wird.
„Es gibt auf der einen Seite die Bemühungen, ökologisch besonders wertvolle Materialien bei der Gebäudeherstellung zu verwenden, und auf der anderen Seite den Fokus auf eine nachhaltige Technik zur Minimierung der Betriebsenergie eines Hauses“, fasst Bernhard Lipp, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie (IBO), die aktuellen Trends beim Ökobau zusammen.
Für die Zukunft wünscht sich Lipp, dass Entwickler im Namen der Nachhaltigkeit die Brücke zwischen den beiden Denkansätzen schlagen. „Lebenszyklisch betrachtet, verbraucht auch ein sorgsam geplantes Haus in 100 Jahren etwa gleich viel Energie, wie in die Herstellung des Hauses gesteckt wird. Ideal wäre es demzufolge, beide Energiekomponenten – also Herstellungsmaterial und Betriebstechnik – in Denken und Ausführen zu berücksichtigen.“

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