Leben in der „Menschenrechts-Stadt“

(c) Michaela Bruckberger
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Graz kümmert sich, wie 24 andere Städte weltweit, besonders um Menschenrechte.

GRAZ. (k. k.) Graz ist bekannt als Universitäts- oder Kulturstadt. Die steirische Landeshauptstadt ist aber auch die erste und bisher einzige „Menschenrechtsstadt“ Europas. Unter Altbürgermeister Alfred Stingl beschloss der Gemeinderat 2001, sich künftig besonders um die Wahrung der Menschenrechte zu bemühen. Der Titel ist also nicht als Lob für gute Zustände zu verstehen, sondern vielmehr als Ansporn für Verbesserung.

Ausgehend vom argentinischen Rosario breitete sich die Idee beispielsweise bis nach Edmonton (Kanada) oder Korogocho (Kenia) aus. Das Prinzip ist einfach: Zunächst sollen Menschen auf Gemeindeebene für ihre Rechte sensibilisiert werden.

Ist das gelungen, soll das Bewusstsein überregional gefördert werden. Mit täglicher Kleinarbeit sollen die Menschenrechte in der Alltagskultur verankert werden.

Während in allen anderen 24Menschenrechtsstädten die Initiative von Bürgerbewegungen ausging, wurde die Idee in Graz von oben aufgegriffen. Dies sei förderlich, meint Völkerrechtler Wolfgang Benedek, Vorsitzender des Menschenrechtsbeirats.

Islamophobe Töne

Im aktuellen Bericht zur Menschenrechtssituation in Graz zeigte sich trotz eines hohen Niveaus in der Wahrung der Menschenrechte Verbesserungspotenzial. Noch immer hallen rassistische und islamophobe Töne nach. Für besondere Aufregung sorgte FPÖ-Politikerin Susanne Winter im Grazer Gemeinderats-Wahlkampf, als sie den Propheten Mohammed als „Kinderschänder“ bezeichnete. Benedek: „Wir müssen diese Polarisierung überwinden und wünschen uns für Graz ein Antidiskriminierungsbüro, eine Art Erstinformationszentrum für Betroffene.“ Künftige Erfolge sollen auch durch Integrationsprojekte in den Schulen erzielt werden.

Erfolge, die sich bereits abzeichnen. Vielen Grazern ist noch in Erinnerung, wie 2003 zwei Schwarzafrikanern der Zutritt zu Szenelokalen verwehrt wurde. Seither dürfte sich die Situation verbessert haben, wie ein mit versteckter Kamera gedrehter Film des Menschenrechtsbeirats zeigt. Darin war zu sehen, wie der gebürtige Nigerianer Fred Ohenhen in sechs verschiedenen Lokalen freundlich empfangen und bedient wurde. Ohenhen: „Das Bewusstsein bei den Menschen ist durch den öffentlichen Diskurs besser geworden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2008)

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