US-Leitzins auf Null: "Der Fed geht die Munition aus"

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Die Gefahr einer Deflation steigt. Die US-Notenbank Fed senkt daher den Leitzins auf faktisch null Prozent. Die Fed habe ihre "traditionelle Munition" verschossen, sagt der designierte US-Präsident Obama.

Die US-Notenbank hat am Dienstag aus Furcht vor einer Verschärfung der Rezession die Leitzinsen auf einen historischen Tiefstand von faktisch null Prozent gesenkt. Um den Eindruck zu vermeiden, alle geldpolitischen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft zu haben, legten die US-Notenbanker eine Zinsspanne von null bis 0,25 Prozent fest - zuvor hatte er 1,0 Prozent betragen. Das ist das niedrigste Niveau seit 1971, als erstmals ein Zinsziel für Tagesgeld festgelegt wurde. Die Fed-Experten begründeten die Entscheidung mit der "weiteren Verschlechterung" der US-Konjunktur und der Gefahr einer Deflation.

Mit diesem Schritt ging die Führung der US-Zentralbank unter Leitung von Ben Bernanke noch weiter, als allgemein erwartet worden war. Analysten hatten mit einer Verringerung des Leitzinses auf 0,5 Prozent gerechnet. Die Zinsentscheidung fiel nach Abschluss zweitägiger Beratungen des Offenmarktausschusses.

Obama: "Munition geht aus"

Mit einem Zinssatz nahe Null gehe der Fed die "traditionelle Munition" zur Konjunkturbelebung aus, sagte der designierte US-Präsident Barack Obama in Chicago. "Die Fed hat zwar noch andere Instrumente, doch ist es wichtig, dass nun die anderen Zweige der Regierung tätig werden."

Obama bekräftigte am Dienstag, mit einem umfangreichen Investitionsprogramm des Staates die Konjunktur wieder ankurbeln zu wollen. "Wir gehen derzeit durch die härteste Zeit seit der großen Depression", betonte der Demokrat, der am 20. Jänner das Präsidentenamt übernimmt.

Es sei deshalb "absolut wichtig", dass der neu gewählte US-Kongress nach seiner Konstituierung Anfang Januar ein solches Paket auf den Weg bringe, sagte Obama. Der designierte Präsident erhofft sich von dem Programm unter anderem die Schaffung von 2,5 Millionen Arbeitsplätzen.

Abkehr von bisheriger Zinspolitik

Bisher hatte der Leitzins bei 1,0 Prozent gelegen, künftig soll er nach dem Willen der Fed zwischen null und einem viertel Prozent fluktuieren. In ihrer Erklärung zeichnete die Fed ein kritisches Bild der Wirtschaftslage: Konsumausgaben, Geschäftsinvestitionen und Industrieproduktion nähmen weiter ab. Zugleich habe sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert.

Entwicklung der Leitzinsen
Entwicklung der Leitzinsen(c) APA

Finanzspezialisten interpretierten den außergewöhnlichen Schritt der Notenbank als Abkehr von der bisherigen Zinspolitik. Die Risiken eines Abgleitens der US-Wirtschaft in eine deflationäre Krise würden als so hoch eingeschätzt, dass die Fed jetzt mit voller Kraft Liquidität in die Märkte pumpe und alle Rücksichten fallen lasse, erklärte Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. "In letzter Konsequenz heißt das, dass die Fed Geldpolitik jetzt über die Notenpresse betreibt."

Lage weiter "angespannt"

Ziel des neuen Zinsschnittes sei, die "Rückkehr zu einem nachhaltigen Wachstum zu fördern und die Preisstabilität zu wahren", hieß es in der Fed-Erklärung. Die Lage auf den Finanzmärkten und die Bedingungen bei der Kreditvergabe bewertete die Notenbank weiter als "angespannt". Der Inflationsdruck habe sich hingegen "merkbar verringert", erklärte die Fed.

Die Fed sagte zu, im Kampf gegen die Rezession "alle zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen". Ihr Focus werde dabei weiter auf der Stabilisierung der Finanzmärkte liegen. Zu den geplanten Maßnahmen zähle der Plan, in den kommenden Monaten "in großem Umfang" hypothekengestützte Wertpapiere aufzukaufen, um die Lage auf dem Immobilien- und Hypothekenmarkt zu entspannen.

Niedriges Zinsniveau "für einige Zeit"

Auch der Erwerb langfristiger Staatsanleihen beim US-Finanzministerium werde geprüft, erklärte die Fed. Die Zinssätze würden insgesamt "für einige Zeit außergewöhnlich niedrig" liegen, heißt es in der Erklärung.

Mit der Zinssenkung in die Nähe der Null-Marke hat die Fed die Möglichkeiten zur Konjunkturbelebung über die Zinspolitik weitgehend ausgeschöpft. Die Zinssenkungen der vergangenen Monate hatten den erwünschten Effekt verfehlt, die Kreditvergabe anzukurbeln.

Der erneute Zinsschnitt dürfte von dem rapiden Schwinden des Inflationsrisikos ermuntert worden sein. Nach amtlichen Angaben vom Dienstag sanken die Preise im November im Monatsverlauf um einen Rekordwert von 1,7 Prozent. Der Preisverfall ließ die Furcht vor einer Deflation wachsen, deren Schaden für die Wirtschaft nach Einschätzung vieler Ökonomen noch größer ist als die Inflation. Die Inflationsrate sank im November im Jahresvergleich auf nur noch 1,1 Prozent. Zudem sankt die Zahl der Neubauprojekte im November um 18,9 Prozent, wie die US-Behörden am Dienstag mitteilten.

Euro auf Zwei-Monats-Hoch

Der Euro stieg am Mittwoch im frühen Geschäft bis auf knapp 1,42 Dollar - so teuer war die Gemeinschaftswährung zuletzt Ende September.

Die Aktienbörse in Tokio hat am Mittwoch nach der überraschend starken US-Zinssenkung zugelegt. Allerdings hielt die Festigung des Yen den Aufwärtstrend in Grenzen. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte notierte zum Handelsschluss ein Plus von 0,52 Prozent bei 8612,52 Punkten.

(Ag.)

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