Dienstbare Geister, zum Angreifen oder virtuell

In New York gehört es zum guten Ton, die Dienste eines Doorman zu nutzen. In Wien haben solche Serviceangebote eher Seltenheitswert.

So mancher Mieter eines luxuriösen Apartments in Manhattan ist gar nicht zu beneiden. Nein, nicht wegen der Finanzkrise. Oder nicht nur. Der eine oder andere leidet unter einem Phänomen, das für New York so typisch ist wie gelbe Taxis, Bagels und die Freiheitsstatue: dem Doorman. Natürlich, er hält einem die Tür auf, nimmt schwere Einkaufssackerl ab, kündigt Gäste an, übernimmt Päckchen und geht mit dem Hund Gassi, wenn's sein muss. Aber er weiß auch, wann man nach Hause kommt. Und mit wem. Er weiß, wie schlimm man nach der Jogging-runde im Central Park aussieht. Und wie oft man verschläft.

Nicht alle New Yorker, in deren Foyer einer der rund 28.000 Vertreter dieser US-amerikanischen Variante des Concierge residiert, sind froh darüber. Der Doorman hilft zwar dabei, das eigene Ansehen zu steigern, er kennt aber eben ein, zwei, viele intime Details. Wie viele, macht eine Studie klar, die der Soziologieprofessor Peter Bearman 2005 durchführte: So würden die meisten der befragten Doormen lieber keinen Standeskollegen vor der Eingangstür stehen haben. Ihnen ist eben bewusst, wie viel sie wissen. Und selber hätten sie das gar nicht so gerne ... Trotzdem: Die meisten mögen ihren Doorman (es gibt angeblich nur zwei weibliche Vertreter dieser Zunft in Manhattan), sie schätzen seine Services, den Komfort. Und nehmen dafür auch gar nicht geringe Kosten in Kauf: Pro Jahr und Doorman fallen an die 80.000 US-Dollar an, von denen der Angestellte laut der zuständigen Gewerkschaft im Schnitt 37.000 Dollar brutto erhält. Die Summe, die der einzelne Mieter zu berappen hat, hängt in Folge davon ab, wie viele sich einen Doorman teilen.

Wien ist eben nicht New York

In Manhattan, wo viele Apartmenthäuser an die 50 oder gar 100 Wohnungen aufweisen, sei dies für die gewöhnlich gut verdienenden Bewohner kein Problem, sagt der Luxusimmobilien-Experte Peter Marschall. In Wien hingegen „stehen im Vergleich zu New York recht kleine Gebäude, die Anzahl der Einheiten pro Haus ist gering. Bei uns würden sich die Kosten also nur auf wenige, auf acht bis zehn Parteien beispielsweise, verteilen“, nennt Marschall einen der Hauptgründe, warum Doormen oder Concierges in der Bundeshauptstadt kaum Tradition haben. Das Konzept kann – soll der finanzielle Aufwand nicht explodieren – nur ab einer gewissen Objektgröße aufgehen. Das wissen auch die Unternehmen, die in Wien Wohnungen mit derartigen Dienstleistungen anbieten. Die IG Immobilien etwa betreibt seit 2001 eine Anlage mit Concierge-Services in Döbling, seit dem Sommer 2007 ein weiteres Projekt, in dem sich Wohnungen und temporäre Domizile (Boarding-House-Apartments) finden. „Das funktioniert erst ab einer Größe von 7000, 8000 Quadratmeter Nutzfläche“, erklärt Hermann Klein, Geschäftsführer von IG Immobilien. Dann seien die Kosten für die einzelnen Bewohner nicht höher als jene für den klassischen Hausbesorger.

Es gilt: je kleiner, desto teurer. Mit ein Grund, warum sich Bauträger Raiffeisen evolution mit einem Wohnbau im 19. Bezirk gleich dem Concierge-Dienst von IG Immobilien angeschlossen und eine Kooperation vereinbart hat. Insgesamt werden dort nun die Bewohner von 241 Wohnungen von Concierges umsorgt. „Der finanzielle Aufwand dafür beträgt 7,5 Prozent der Gesamtbetriebskosten. Diese liegen derzeit bei 3,20 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche“, nennt Ernst Kovacs, Prokurist bei Raiffeisen evolution, ein Preisbeispiel. Bei kleineren Projekten sei dieser Prozentanteil entsprechend höher.

Was auffällt: das große Interesse der internationalen Klientel. „Das war das erste Projekt, bei dem wir zum besseren Verständnis etwa Verträge ins Englische übersetzt haben. Auch Wohnungsübergaben wurden auf Englisch gemacht“, erzählt Kovacs. Klein bestätigt, dass viele Bewohner aus dem Ausland kommen, „teilweise sind sie zum ersten Mal in Wien.“ Dementsprechend gut genutzt sind daher auch Concierge-Services wie Behördenwege oder die Anmeldung im Kindergarten.

Gezielte Suche nach Service

Dass es in Wien nicht so viele internationale Kunden gebe, ist für Marschall – neben den Gebäudegrößen – ein weiterer Grund dafür, dass es recht wenige servicierte Anlagen gibt. „Der Markt ist klein. Aber es gibt das Publikum, das genau so etwas schätzt und sucht. Auch ein österreichisches.“

Starke Wachstumsraten sieht Marschall hingegen für den Bereich der reinen Boarding-Häuser, in die sich zumeist Geschäftsleute auf Zeit – einige Wochen bis Monate – einmieten. Beispiele in Wien sind „My Place“, „Lifestyle Living“, „Derag“ oder „Accor“. „Die bestehenden Objekte werden gut angenommen, es ist auch noch einiges an Potenzial drinnen“, stellt Marschall fest.

Persönlicher Kontakt erwünscht

Egal, ob im Apartment auf Zeit oder in der Wohnung: Es ist einfach praktisch, wenn sich jemand um Theaterkarten kümmert oder Lieferungen entgegennimmt. Und der persönliche Kontakt zu den Concierges ist den Leuten nicht unangenehm. Im Gegenteil, sagt Klein. Daher sei es auch wichtig, auf die Ausbildung der Mitarbeiter zu achten – die meisten haben eine Hotelfachschule absolviert – sowie auf Kontinuität. Klein gibt auch weiteren Projekten gute Chancen. Zurzeit sei man auf der Suche nach einem geeigneten – sprich: genügend großen – Grundstück.

In Manhattan hingegen könnte der eine oder andere allzu neugierige Doorman um seinen Job bangen müssen. Die Firma Best Monitoring wirbt seit Kurzem mit einer Cyber-Version des Concierge. Für 6000 bis 15.000 US-Dollar pro Jahr kann ein elektronisches System gemietet werden, von einem Callcenter aus werden Aufgaben erfüllt wie die Tür zu öffnen, Besucher anzukündigen oder autorisierte Personen einzulassen. Um die schweren Einkaufssackerl oder den Hund mit Harndrang kann sich der virtuelle Portier allerdings dann nicht mehr kümmern ...

www.ig-immobilien.at,
www.raiffeisenevolution.com,

AUFGEBLÄTTERT

www.cyberdoorman.comZum Schmökern:

Doormen. Peter Bearmans Studie über New Yorks Vertreter dieser Zunft. University of Chicago Press 2005, ab 59,90 Euro.

Die Eleganz des Igels. Muriel Barbery erzählt aus dem Leben einer kleinen, pummeligen, aber überaus belesenen Pariser Concierge. Dtv, 2008, ab 14,90 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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