Wasser-Notlandung: „Es war wie bei einer Achterbahnfahrt“

(c) Reuters (Brendan McDermid)
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„Helden-Pilot“ Chesley Sullenberger steuerte havariertes Flugzeug sicher in den Hudson.

WASHINGTON/NEW YORK. Nur die Oberfläche des Rumpfs, die Tragflächen und die Heckflosse ragten aus dem eisigen Wasser, mitten im silbern schimmernden Hudson an der Westseite von Manhattan. „Das ist doch ein Flugzeug, und kein Boot“, wunderte sich ein kleines Mädchen, an die Eltern gewandt, nach ihrer Rettung aus dem havarierten Airbus A-320.

Die Szene hatte etwas Unwirkliches, als wäre sie von Hollywoods Katastrophenspezialisten ersonnen. Viele New Yorker erinnerte es dagegen an das Trauma des Terroranschlags von 9/11, als Donnerstagnachmittag ein Flugzeug knapp über die George-Washington-Brücke segelte, schlingernd dicht über dem Wasser dahinglitt und hart auf dem Fluss aufprallte.

„Wunder am Hudson“

Nur kurz darauf schwärmten schon die Rettungsboote und Fähren aus, die Passagiere aus dem Wasser fischten. Bei Außentemperaturen von minus acht Grad und Wassertemperaturen von knapp über null Grad waren sie in Panik in die Fluten gesprungen. Die meisten jedoch verließen vor Kälte und Schock bibbernd, aber mit bemerkenswerter Ruhe die sinkende Maschine. Alle 155 Insassen, unter ihnen viele Finanzexperten und Hobbygolfer, überlebten das Unglück.

David Paterson, Gouverneur des Staates New York, sprach von einem „Wunder am Hudson“, und New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg würdigte die Meisterleistung des Piloten Chesley Sullenberger. Der 57-jährige Kalifornier, ein ehemaliger Kampfpilot der US-Airforce, zudem ein Ausbilder und Sicherheitsspezialist mit großer Routine, hatte kurz nach dem Start des US-Airways-Flugs 1549 in die Finanzhochburg Charlotte in North Carolina ein SOS an den Tower des Stadtflughafens La Guardia gefunkt. Wildgänse waren in den Sog der Motoren geraten und beschädigten sie; ein Passagier berichtete, ein Triebwerk habe gleich gebrannt.

Statt jedoch den nächstgelegenen Flughafen Teterboro in New Jersey anzusteuern, flog Sullenberger eine Schleife um den Norden New Yorks und entschloss sich kurzerhand zu einer ruppigen Notlandung auf dem Hudson.

„Es war wie bei einer Achterbahnfahrt“, sagte hinterher einer. Passagiere sprachen von einem „geordneten Chaos“ an Bord, und als alles überstanden war, schrieb Matt Kane ein SMS: „Ich bin im Hudson gelandet.“ Die Bergung war wie am Schnürchen verlaufen.

Chesley Sullenberger war indes der Held des Tages, vermutlich mindestens der ganzen Woche. „Sully“, wie er von seinen Kollegen genannt wird, habe es als Kapitän nämlich auch als seine oberste Pflicht angesehen, das sinkende Flugzeug als Letzter zu verlassen – und das nicht, ohne noch vorher zweimal genau kontrolliert zu haben, dass sich auch kein Mensch mehr in der Maschine befindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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