„Serbien kann die Zeit nicht zurückdrehen“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Kosovos Präsident Sejdiu fordert Belgrad auf, sich mit der Unabhängigkeit des Staates Kosovo abzufinden.

Die Presse: Bis jetzt haben nur 54 Länder den Kosovo als Staat anerkannt – eine Enttäuschung?

Fatmir Sejdiu: Es ist eine außerordentliche Unterstützung, von 54 Ländern rund um den Erdball anerkannt zu werden. Zu diesen Ländern zählen drei Viertel der EU-Staaten und sieben von acht G8-Staaten. Aber natürlich brauchen wir auch die Unterstützung kleinerer Länder – damit auch die Aufnahme Kosovos in die internationalen Institutionen einfacher wird. Wir werden keine Probleme bei der Aufnahme in die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds haben. Das sollte noch dieses Jahr über die Bühne gehen. Aber natürlich möchten wir auch der UNO beitreten.

Aber gerade eine Mitgliedschaft des Kosovo in der UNO und auch in der OSZE würden Russland und Serbien niemals zulassen.

Sejdiu: Wenn wir in der UN-Generalversammlung genügend Stimmen erhalten, dann sehe ich in einem UN-Beitritt kein Problem. Und dann wäre es unlogisch, wenn ein UN-Mitglied Kosovo, das sich an demokratische Grundsätze hält, nicht der OSZE beitreten könnte. Leider gab es immer wieder Blockaden durch Russland, was wir für einen sehr irrationalen Zugang halten. Und leider hat auch Serbien seine Versuche nicht aufgegeben, die anderen Länder der Region kontrollieren zu wollen.

Wie können die Beziehungen zu Serbien verbessert werden? Serbiens Präsident Boris Tadi? hat gesagt, dass er mit dem Kosovo über „vitale Fragen“ verhandeln wolle.

Sejdiu: Wir sind natürlich dazu bereit, dass Kosovo und Serbien als zwei souveräne Staaten über Themen von beiderseitigem Interesse diskutieren. Aber wir werden mit Serbien niemals über Dinge verhandeln, die den Status des Kosovo betreffen. Und auch nicht über Dinge, die die Souveränität und innere Stabilität unseres Landes gefährden könnten.

Herr Tadi? sagte offenbar, er wolle mit den Führern des Kosovo sprechen, davon ausgehend, dass der Kosovo nach wie vor Teil Serbiens sei. Meine Antwort: Kosovo ist ein unabhängiger Staat. Er gehört den Bürgern des Kosovo. Tadi? ist Präsident Serbiens, nicht des Kosovo.

Aber wie kann es eine Versöhnung mit Serbien geben?

Sejdiu: Kosovo hat die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. Und das, obwohl er unter der Aggression Serbiens litt. Serbien hat sich niemals für seine Verbrechen im Kosovo entschuldigt. Es werden Zeiten kommen, in denen wir als gute Nachbarn leben können. Aber Serbien muss aufhören, eine hegemonistische Rolle in der Region spielen zu wollen. Es kann nicht die Zeit zurückdrehen.

Es gab einen Deal zwischen Serbien und UNO, dass die UN-Mission Unmik weiterhin eine Rolle in den serbisch besiedelten Gebieten des Kosovo spielen soll.

Sejdiu: Das war ein Fehler. Die Unmik hat eine wichtige Rolle im Kosovo gespielt, und wir hoffen, dass sie diese Mission so bald wie möglich erfolgreich abschließt. Das Mandat der neuen EU-Mission Eulex ist klar im Ahtisaari-Plan festgelegt. Es kann nicht zwei Missionen im Kosovo geben: eine, Eulex, für die Albaner und die andere, Unmik, für die Serben.

Was hat Kosovo in einem Jahr Unabhängigkeit erreicht?

Sejdiu: Wir haben den juristischen Rahmen für unseren unabhängigen Staat errichtet und uns eine neue Verfassung gegeben. Wir haben den Prozess zur Bildung der wichtigsten Staatsinstitutionen abgeschlossen und unsere neue Kosovo-Sicherheitstruppe aufgebaut. Das Land hat eine allgemeine Stabilität erreicht. Und trotz Schwierigkeiten gibt es ein Wiederaufblühen der Wirtschaft.

Aber gerade in der Wirtschaft und auch in der Energieversorgung gibt es große Probleme.

Sejdiu: Wir haben Projekte gestartet, die die Energieversorgung verbessern sollen. Und wir planen Projekte im Bereich Landwirtschaft. Man muss verstehen: Wir reden über ein Land, dessen Wirtschaft fast völlig zerstört worden ist. Wir haben niemals gesagt, dass wir die Dinge über Nacht ändern können. Und es ist wichtig, dass wir das auch unserer Bevölkerung erklären. Wir dürfen kein Potemkin'sches Dorf aufbauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2009)

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