Jordanien: Im Land der schwarzen Iris

Kein Wasser, kein Öl, viel Wüste, ein Totes und ein Rotes Meer. Trotzdem boomt der Tourismus jenseits des Jordan. Die Attraktionen sind antike Tempel – und neuerdings riesige Baderesorts in Aqaba.

Schreib nichts über Petra“, flehte mich ein Freund an, der von meiner Jordanien-Reise gehört hatte. Aber: Die legendäre Stadt der Nabatäer ist das Kernstück jeder Reise in das Haschemitische Königreich. Man muss einfach, von einem guten Reiseführer wie unserem Ahmed angeleitet, am Ende der Schlucht rückwärts gehen, sich an der richtigen Stelle umdrehen und das „Schatzhaus“ zwischen den vielfarbigen Felsen aufragen gesehen haben. Das Thema antike Kultur steht ganz oben auf der Liste der Attraktionen Jordaniens. Ausgerechnet Petra also auslassen?

Zu Hilfe eilen in dieser Not die Tourismusmanager des Landes, die inzwischen auf Wellness setzen. Denn man hat ja einen Schatz, wenn nicht vergraben, so doch weit unten: 400 Meter unter dem Meeresspiegel ruht das Tote Meer, dessen tiefster Punkt nochmals etwa 400 Meter darunter liegt. Lange wurde das Gewässer seinem Namen gerecht: Der hohe Salzgehalt des Meeres – er schwankt zwischen 25 und 35 Prozent – verhindert jedes höhere Leben. Irgendwann entdeckte man dann aber die heilende Wirkung des Wassers, vor allem bei Hautkrankheiten. Im Herbst 1994 kam es zum Frieden zwischen Jordanien und Israel – man konnte endlich darangehen, diese Erkenntnis zu nutzen.

In die Antike zurückträumen

Das erste Hotel, das vor gut zehn Jahren fertig wurde, war das Mövenpick, eine idyllische Anlage mit Bächen, Teichen und Springbrunnen, die einen Überfluss an Wasser vorgaukeln, den es in einem der regenärmsten Länder der Erde nicht gibt. Neben dem Mövenpick wurde vor Kurzem ein Kempinski eröffnet, das aus einem zentralen Hotelkomplex mit integriertem Spa besteht, wo man sich unter anderem Thai-Massagen verabreichen lassen oder Schlammbäder nehmen kann.

Hat sich das erste Haus am Platz noch etwas vom Spaß erhalten, der im Einreiben mit Schlamm am Strand und dem Treibenlassen auf dem salzigen Meer liegen kann, so herrscht im neuen Haus bereits der esoterische Ernst der Wellness. Dabei bringen nicht nur diverse Behandlungen Entspannung, sondern bereits der hohe Bromgehalt des Wassers und der Luft. Mit dem Kur-Charakter will man einem Phänomen begegnen, das einem sanften, nachhaltigen Tourismus entgegensteht: dem Kurzzeitgast.

Bisher blieb der durchschnittliche Jordanien-Reisende nach einem körperlich und geistig anstrengenden Tag in Petra gern für ein, zwei Tage zur Erholung am Toten Meer. Dort konnte er die Eindrücke von der in den Stein gehauenen antiken Handelsmetropole mit ihren ocker- bis purpurfarbenen Felsen Revue passieren lassen, sich hineinträumen in das Treiben vorchristlicher Zeiten und sich vom Marsch durch den Siq erholen.

Durch diese Schlucht gelangt man nämlich zur berühmtesten Attraktion Petras, dem „Schatzhaus“. Oder man hat als Pilger die wenige Kilometer nördlich des Toten Meeres gelegene, von Johannes Paul II. offiziell anerkannte Taufstelle Jesu besucht, ist dabei weniger in religiöse Verzückung als ins Schwitzen geraten und will sich mit einem Sprung ins Nass kühlen. Davon ist abzuraten: Das Salz des Toten Meeres hat in den Augen fast ätzende Wirkung.

Der Tourismus ist in dieser Region wegen der geopolitischen Lage eine recht junge Angelegenheit. Jordanien mag zwar als das zweite „Heilige Land“ eines sein, in dem Milch und Honig fließen; was aber definitiv nicht sprudelt, sind Öl und Wasser. Deshalb setzte man auf den Reisenden in Sachen Kultur. Hat man doch nicht nur Johannes den Täufer auf seiner Seite des Jordantals, sondern auch die zur Salzsäule erstarrte Frau Lots. Ob Sodom, nach dem sie sich umdrehte, nun diesseits oder jenseits des Jordans liegt, ist umstritten. Für Ahmed liegt es sowieso auf dem Grund des Toten Meeres. Es gibt also mehr Antikes zu besichtigen als Petra.

Beim Weltkulturerbe Petra empfiehlt es sich übrigens, gleich nach dem von den Römern erweiterten Theater die 800 Stufen hinauf zum Opferplatz zu steigen. Von dort hat man man einen großartigen Ausblick über Schlucht und Wüste.

Die schwarze Iris, das Nationalsymbol Jordaniens, ist bedauerlicherweise noch seltener als das Edelweiß in den Alpen und eignet sich deshalb nicht als Devisenbringer. Öl gibt es auch keines, also setzt man verstärkt auf Tourismus. Die Zuwachsraten, allein der Gäste aus Österreich, bewegen sich im zweistelligen Prozentbereich. Gern kommen auch Russen, Deutsche, Spanier und selbstverständlich Araber. Am Toten Meer wird deshalb bereits das vierte Hotel gebaut.

Das ist aber noch bescheiden im Vergleich mit den bereits in Bau befindlichen Anlagen in Aqaba. Im Sommer 2008 hat das riesige Radisson SAS Tala Bay Resort mit 336 Zimmern eröffnet. Etwas zu früh, wie der dortige österreichische Chefkoch Mario Baruffi meint – bei laufendem Betrieb sei es schwer, all die Unfertigkeiten zu beseitigen. Und in Kürze soll das sich über 70.000 Quadratmeter erstreckende Crowne Plaza Hotel mit 420 Zimmern eröffnen.

Fast zehnmal so viel Platz beansprucht die künstliche Lagune „Saraya Aqaba“, die noch im Baustadium steckt. Es erstaunt kaum, dass die Leitung dieses Unternehmens mit etlichen Fünf-Sterne-Hotels von einer in Dubai beheimateten Firma übernommen werden wird.

Will man also das alte Aqaba erahnen, das vor einem guten Jahrzehnt noch ein besseres Fischerdorf war, sollte man sich beeilen. Bald wird es in dieser Special-Economic-Zone über 8000 Hotelzimmer, einen Wasserpark, einen Golfplatz und wer weiß was noch alles geben. Ob das mit dem Tourismuskonzept des relaxenden Gastes mit der dicken Brieftasche zusammengeht, wird man dann sehen. Vielleicht setzt man deshalb alternativ auch auf den Individualtouristen, der sich in Amman ein Auto mietet und durchs Land abenteuert, inklusive Übernachtung im Beduinenzelt in Wadi Rum oder anderswo – und der auf Petra und Aqaba pfeift.

TOTES & ROTES MEER

Anreise: siehe Flüge der Woche Seite R4. Royal Jordanian fliegt fünfmal wöchentlich Wien– Amman–Wien, Flugdauer drei Stunden. www.rja.com.jo
Pauschal: u.a. mit Kneissl Touristik, „Jordanien intensiv“ (elf Tage), „Jordanien-Rundreise“ (acht Tage) oder eine Kombination von Jordanien und Syrien (17 Tage). 07245/207 00 (Zentrale), 01/512 68 66 oder 01/408 04 40www.kneissltouristik.at
Infos: Jordan Tourist Board/Jordanische Botschaft, Rennweg 17/4, 01/405 10 25 28, www.visitjordan.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2009)

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