Trari, zu viel Trara – die Post ist immer noch da

Die Post AG schließt Ämter, weil sie das ihren Aktionären schuldig ist. Ein Grund zur Staatstrauer ist das nicht.

Einen netten Auftritt hatte gestern ein höherer Wirtschaftskämmerer. Er heißt Erich Lemler und vertritt den kleinen, immer schon zu hundert Prozent privaten Kaufmann. In dieser Funktion konnte es sich der Funktionär, obwohl Seite an Seite mit dem Filialvorstand der Post AG, nicht verkneifen, das Lob seiner Klientel zu singen: „Unternehmer sind die bessere Post.“ Das liege schon an der „freundlichen Bedienung“. Die sei ja, erklärte er mit einem gönnerhaft belehrenden Blick an seinen Nachbarn, der tapfer die Zähne zusammenbiss, der „Grundsatz jedes Dienstleisters“. Deshalb sei die Kammer auch gern bereit, der Post bei der Suche nach privaten Partnern zu helfen – als Ersatz für die 293 Miniaturämter im hintersten Hausruck, im tiefsten Pitztal und an sonstigen Grenzen der Zivilisation, mit denen im Sommer Schluss sein soll.

Wo der Mann recht hat, hat er recht. Da mag das post-wendende kollektive Aufjaulen über die geplanten Maßnahmen noch so eindrucksvoll konditioniert sein: Es ist nicht recht einzusehen, warum die Österreicher mit solch rabiater Nostalgie an ihren kleinsten Postämtern hängen. Im Grunde ist das ebenso irrational wie Ortstafelstreit, Saualmlager und Toleranz mit Negerwitzen – nur sind diese Phänomene gottlob auf Kärnten begrenzt.

Am ländlichen Postamt aber scheint das ganze Land zu hängen wie an einer emotionalen Nabelschnur. Nur mit ihm, wird absurderweise suggeriert, lässt sich der massenhafte Exodus der Landbevölkerung in die Städte aufhalten. Denn ohne diesen kommunikativen Mittelpunkt des Dorflebens werde der „ländliche Raum strukturell ausgedünnt“. Dünn ist aber vor allem diese Argumentation. Denn das gelobte Amt ist in der Regel schwer defizitär. Dabei hat es jahrzehntelang eine Monopolstellung ausgenutzt: Es verrechnete seinen Kunden nämlich überhöhte Brief- und Paketgebühren, mit denen es unter freien Wettbewerbsbedingungen längst vom Markt gefegt worden wäre.

Freilich: Das Zwischenmenschliche lässt sich nicht auf Zahlen reduzieren, und das ist gut so. Doch auch die Chance, einfach ein Lächeln oder ein freundliches Wort zu lukrieren, ist beim Postschalterbeamten in aller Regel signifikant niedriger als beim Wirt, beim Greißler oder beim Trafikanten.

Die sollen nun dort, wo Postämter geschlossen werden, einspringen – und sie haben alle Voraussetzungen dazu. Man hat sie auf Brief- und Bankgeheimnis eingeschworen, sie werden geschult, keine einzige Leistung fällt weg. Die Dorfbewohner sparen sich einen zusätzlichen Weg. Und sie sind zufrieden, in den 200 Orten, in denen Briefe schon jetzt über den Ladentisch gehen – ganz zu schweigen von Deutschland oder Schweden, wo mobile Postämter und private Partner längst dominieren. Für einen US-Amerikaner wäre unsere Diskussion sogar völlig unverständlich: Er klemmt seine Ausgangspost einfach in den Briefkasten, der Briefträger nimmt sie mit.

Unsere Landespolitiker blasen freilich in ein ganz anderes Posthorn. Die nun verkündeten Rationalisierungsmaßnahmen seien eine „Sauerei“, ein „unverantwortlicher Kahlschlag“, ein „Wahnsinn“ – so tönt es von West bis Ost, auch von schwarz gefärbten Politikern. Sie wollen wohl auch Kanzler Faymann am Pranger sehen, und das müsste man ihnen, bei allem Irrtum in der Sache, sogar von Herzen gönnen.

Zur Erinnerung: Im Herbst erfuhr die Öffentlichkeit von den ehrgeizigen Plänen der Post, bis 2015 ganze 9000 Mitarbeiter abzubauen und 1000 Postämter zu schließen. Die Gewerkschaft drohte routiniert mit Streik, das Geplänkel drohte zum Konflikt zu eskalieren, aber Werner ex Machina sprach ein Machtwort: Ein halbes Jahr darf kein einziges Postamt geschlossen werden, haute er gar mächtig auf den Tisch.


Die entsprechende Verordnung war vermutlich verfassungswidrig, weil sie in die Rechtssphäre der privaten Post-Aktionäre eingegriffen hat. Aber auch sonst war die erzwungene „Nachdenkpause“ ziemlich skurril: Vor diesem Sommer hätte die Post AG ohnehin nicht zum „Kahlschlag“ ansetzen können, neue private Partner findet man nicht von heute auf morgen. Jetzt tut das Management, was es in einem börsenotierten Unternehmen tun muss: Es sichert den langfristigen Wert der Aktien, indem es sich professionell auf die EU-weite Liberalisierung des Briefmarktes vorbereitet – unter Wahrung aller Regeln.

Von populistischen Politikern geschürte Nostalgie hat da nichts verloren. Wem dennoch vor lauter Postamt-Blues das Herz blutet, der greife sich auf selbiges: Trauern Sie heute noch, trotz Billa und Spar, der Konsumgenossenschaft nach? Na eben.

Bericht und Reportage Seite 15

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2009)

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