Die Amerikaner füllen Denkzettel aus und suchen das kleinere Übel

Die Republikaner profitieren von Obamas Unbeliebtheit und schwachen demokratischen Senatoren.

Washington. Eigentlich sähe es für die Demokraten bei dieser Kongresswahl nicht so schlecht aus: Seit dem letzten Urnengang vor zwei Jahren ist die Arbeitslosigkeit von 7,8 auf 5,9 Prozent gesunken, während der S&P-500-Aktienleitindex um 40 Prozent gestiegen ist und die Immobilienpreise um knapp 16 Prozent, womit sie wieder auf dem Niveau vor der Finanzkrise von 2008 liegen.

Zudem sind die Republikaner noch unbeliebter als im Jahr 2010. 54 Prozent der Befragten gaben gegenüber dem Pew Research Center an, eine schlechte Meinung von ihnen zu haben; vor zwei Jahren waren es 50 Prozent.

Doch weder die wirtschaftliche Verbesserung noch die Unpopularität des politischen Gegners dürfte den Demokraten helfen, am Dienstag eine Niederlage abzuwenden und die Mehrheit im Senat zu retten. Denn zwei von drei Amerikanern sind laut dieser Pew-Umfrage mit dem Zustand Amerikas unzufrieden; die Unbeliebtheit der Demokraten ist seit 2010 noch stärker gestiegen als jene der Republikaner (von 40 auf 46 Prozent); und ganz weit unten durch in der öffentlichen Wahrnehmung ist der Präsident, dem heute 51 Prozent der Bürger bescheinigten, sein Amt nicht gut zu führen (im Jahr seiner Wiederwahl waren es nur 43 Prozent).

Diese Umstände verstärken den für die Demokraten ohnehin schon bedenklichen Trend, der sich bei jeder Midterm Election zur Halbzeit eines Präsidentenmandates bewahrheitet: Die Partei des Amtsinhabers im Weißen Haus wird so gut wie immer abgestraft. In neuerer Zeit gelang es nur Bill Clinton im Jahr 1998, ein paar Sitze dazuzugewinnen.

Keine republikanische Welle

Die Republikaner werden in den meisten Umfragen mit rund 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit jene sechs Sitze holen, die sie für die Mehrheit im Senat benötigen. Das liegt allerdings nicht daran, dass Amerika nun mehrheitlich dem Konservativismus zuneigt, sondern an der Verteilung und Beschaffenheit der Senatsmandate, die nun vergeben werden. 21 demokratische, aber nur 13 republikanische Senatssitze stehen zur Wahl. Die Demokraten haben also im Vorhinein mehr zu verlieren (2016 stehen dafür mehr Republikaner unter Druck).

Drei Sitze der sechs erforderlichen Senatsmandate sind den Republikanern so gut wie sicher: West Virginia, South Dakota und Montana. In North Carolina, Arkansas, Louisiana und Alaska kämpfen Demokraten um ihre Wiederwahl, aber in allen vier Staaten hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney vor zwei Jahren die Mehrheit erhalten. In Iowa wiederum liegt die republikanische Kandidatin in der letzten Umfrage vom Samstag mit sieben Prozentpunkten voran. Sehr eng wird es für die Demokraten auch in Colorado, New Hampshire, Georgia, Kansas und North Carolina.

„Das ist keine republikanische Welle“, sagt der Politikforscher Thomas Mann von der Brookings Institution. „Es ist eine Kombination aus allgemeiner Unzufriedenheit damit, wie die Dinge laufen, und dem Umstand, dass jetzt ein Demokrat im Weißen Haus sitzt.“

Dazu kommt, dass die viel beschworenen unabhängigen Wähler parteiischer sind, als man es annehmen würde. In einer Umfrage von ABC News und der „Washington Post“ sagten zum Beispiel 13 Prozent der Wähler, dass sie keiner der beiden Parteien trauen.

Zugleich gab aber jeder Zweite aus dieser Gruppe an, die Republikaner wählen zu wollen. „Es gibt immer weniger Leute, die zugleich sehr interessiert an Politik sind, aber keine vorgefasste Meinung haben“, sagt dazu der Politologe Kenneth Goldstein von der University of San Francisco.

„Ich bin nicht Barack Obama“

In ihrer Panik versuchten die meisten demokratischen Kandidaten, sich von Obama zu distanzieren. In keinem der umfochtenen Staaten trat der Präsident während des Wahlkampfes auf. Alison Lundergan Grimes, die Tochter eines mächtigen demokratischen Parteibonzen aus Kentucky, trieb ihren Versuch, nur ja nicht beim Präsidenten anzustreifen, auf die Spitze: In einem Werbefilm zeigt sie sich beim Tontaubenschießen – und spricht verkrampft lächelnd in die Kamera: „Ich bin nicht Barack Obama.“

US-KONGRESSWAHLEN

Alle zwei Jahre finden in den USA Kongresswahlen statt. Alle 435 Abgeordnetenmandate im Repräsentantenhaus und 36 Sitze im Senat stehen am Dienstag zur Wahl. Abgeordnete amtieren für zwei, Senatoren für sechs Jahre (sie werden in drei Gruppen gestaffelt gewählt). Sollte es im hundertköpfigen Senat ein Patt zwischen Demokraten und Republikanern geben, gibt die Stimme von Vizepräsident Joe Biden, der den Vorsitz innehat, den Ausschlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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