Der Absturz des Raumschiffes SpaceShipTwo von Milliardär Richard Branson hat die private Raumfahrt zuletzt in Verruf gebracht. Doch trotz aller Rückschläge sind die Privaten auf dem Vormarsch ins All.
War es das nun? Ist die private Raumfahrt am Ende? Diese – leicht hysterisch angehauchte – Frage wurde in der Vorwoche vielerorts gestellt. Grund dafür war die wohl schwärzeste Woche für die Branche seit Langem: Zuerst explodierte eine Rakete der Firma Orbital Sciences mit 2,3 Tonnen wertvoller für die Raumstation ISS gedachter Fracht kurz nach dem Abheben im US-Bundesstaat Virginia. Und nur wenige Tage später stürzte das SpaceShipTwo von Virgin Galactic – der Raumfahrtfirma des britischen Milliardärs Richard Branson – beim 55. Testflug in der kalifornischen Mojave-Wüste ab. Einer der zwei Piloten kam dabei ums Leben.
„Der Weltraum ist hart – aber er ist es wert. Wir werden durchhalten und gemeinsam voranschreiten.“ Mit diesen Worten kündigte Branson bereits am Tag nach dem Unfall an, dass das Programm definitiv weitergehen werde – ein Schritt, der ihm vielfach angekreidet wurde. Doch der Milliardär dürfte recht haben. Zwar wird der Absturz von SpaceShipTwo vor allem den Weltraumtourismus, der bereits im kommenden Jahr starten sollte, um einige Jahre zurückwerfen. Dem Siegeszug von Privatfirmen in der Raumfahrt wird das aber keinen Abbruch tun.
Grund dafür ist nicht nur, dass Katastrophen bei Flügen in den Weltraum immer schon Teil der Geschichte waren: So stürzten nicht nur die beiden Space-Shuttles Columbia (2003) und Challenger (1986) ab, auch in den Anfängen der Raumfahrtentwicklung kam es immer wieder zu tödlichen Unfällen. Entscheidend ist vielmehr, dass Raumfahrt ein Milliardengeschäft ist, in das viele Firmen drängen.
Geldfrage. Dabei handelt es sich zum Teil um Unternehmen wie Virgin Galactic, die Touristen nur für einige Stunden in einen tiefen Orbit von etwas mehr als 100 Kilometern Höhe bringen wollen. Mehr als 500 Tickets für solche Flüge hat Virgin Galactic bereits für 200.000 US-Dollar (161.500 Euro) verkauft. Langfristig werde sich das Geschäft jedoch nur rechnen, wenn die Zahl der Touristen über den „Kreis Privilegierter“ hinauskommt, so Branson. Die Europäische Weltraumagentur ESA schätzt, dass solche Flüge 2025 bereits ab 5000 Euro zu haben sein werden.
Das wesentlich größere Geschäft liegt aber in der „echten Raumfahrt“ – also Versorgungsflügen für die Raumstation ISS sowie dem Transport von Satelliten ins All. Und langfristig auch in der Beförderung von Astronauten. Früher war dies eine Domäne der staatlichen Raumfahrtbehörden Nasa, ESA oder jener Russlands. Doch mit dem Auslaufen des Shuttle-Programms der Nasa öffnete sich hier eine Lücke. Da die USA nicht von russischen Sojus-Kapseln allein abhängig sein wollten, vergaben sie Aufträge an eigene Tech-Firmen. Neben Orbital Sciences war dies vor allem SpaceX – die Firma des aus Südafrika stammenden Milliardärs und Tesla-Chefs, Elon Musk.
SpaceX wurde erst 2002 gegründet, schaffte es 2012 jedoch, als erste private Firma einen erfolgreichen Flug zur ISS zu absolvieren. Ein Erfolg, für den sich die Nasa mit einem 1,6 Milliarden-Dollar-Auftrag für weitere Flüge bedankte. Inzwischen kam ein 2,6-Milliarden-Dollar-Auftrag für die Entwicklung eines Astronautentransporters hinzu. Die Strategie der Nasa ist dabei, den Privaten das Tagesgeschäft zu überlassen, um sich selbst auf anderes – etwa den Flug zum Mars – zu konzentrieren.
Dies brachte etwas in die Raumfahrt, was es laut Aussagen hoher Nasa-Mitarbeiter vorher nicht gegeben hatte: kostenbewusstes Denken. Schon heute ist SpaceX mit rund 61 Millionen Euro pro Raketenstart deutlich günstiger als andere Anbieter, die bis zu 400 Millionen verlangen. Doch das Ziel liegt noch wesentlich tiefer: Laut SpaceX kostet eine Rakete nämlich 54 Millionen Dollar, der Treibstoff aber nur 200.000 Dollar. Was, wenn es nun gelänge, die Raketen wiederzuverwenden?
Die Firma will daher die Einwegraketen zu Mehrwegraketen machen. Gelingt dies, fallen nicht nur die Kosten für die Transporte zur ISS. Auch der Transport von Satelliten ins All wird wesentlich günstiger. Diese könnten dann in tiefere Orbits gebracht werden. Dass sie aus diesen schneller abstürzen und in der Atmosphäre verglühen, wäre bei geringeren Transportkosten kein Problem mehr.
Denn durch den häufigeren Austausch bliebe auch die Technik immer auf dem neuesten Stand. Die Folge: viel mehr Raketenstarts – und ein großes Geschäft für die Raumfahrer.
Zahlen
61,2Millionen Dollarkostet ein Raketenstart bei SpaceX. Konkurrenten verlangen dafür bis zu 400 Millionen Dollar.
54Millionen Dollar entfallen dabei auf die Rakete, 200.000 Dollar auf den Treibstoff. Könnten Raketen mehrmals verwendet werden, würde dies die Kosten radikal senken.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)