Die Regierung beschloss ein Informationsrecht. Das verbessert die rechtliche Stellung gegenüber Ämtern. Wenn die Behörde aber schweigt, muss man zu Gericht.
Wien. In der Monarchie ist es geboren, 1987 stark eingeschränkt worden: das Amtsgeheimnis. So richtig informationsfreudig wollten sich die Behörden aber weiterhin nicht zeigen. Nun werde sich das ändern werden, verspricht die Regierung. Sie beschloss am Dienstag im Ministerrat eine Verfassungsnovelle. Sagt auch das Parlament Ja (wofür eine Zweidrittelmehrheit und damit ein Mitwirken von Oppositionsabgeordneten nötig ist), würde sie ab 2016 gelten. FPÖ und Grüne fordern aber noch Nachverhandlungen.
Die Novelle würde die Position der Bürger verbessern. Bisher stand in der Verfassung zwar bereits, dass Behörden „Auskünfte zu erteilen haben“, sofern keine Verschwiegenheitspflicht besteht. In der Novelle heißt es nun aber, dass „jedermann“ das Recht auf Informationen hat. Durch diese Umkehrung werde das Informationsrecht zum Grundrecht, betont der zuständige Kanzleramtsminister, Josef Ostermayer (SPÖ).
Jedoch: Schon bisher konnte man vor Gericht klagen, wenn eine Auskunft verweigert wurde. Bekam man vor dem Höchstgericht recht, nutzte das aber oft nicht viel, weil man bezüglich der Herausgabe der Akten weiterhin auf die Behörde angewiesen war. Das solle nun anders werden, meint Ostermayer. Auf einen Informationsbeauftragten – also eine Art Schiedsrichter zwischen Bürger und Behörde, der in Akten Einsicht nehmen darf und dann über die Herausgabe entscheidet – möchte Ostermayer aber verzichten. Er wolle keine neue Sonderbehörde und Kosten schaffen. Stattdessen will man im Streitfall die Entscheidung den seit heuer aktiven Verwaltungsgerichten überlassen, die viele Sonderbehörden ersetzten. Die neuen Gerichte würden auch das Recht haben, in Behördenakten Einsicht zu nehmen und dann zu entscheiden.
Wie setzt man das neue Recht durch?
Für einen Informationsbeauftragten hatten sich hingegen der Verfassungsjurist Heinz Mayer, das Forum Informationsfreiheit und das Boltzmann-Institut für Menschenrechte ausgesprochen. Die Sorge: Wenn die Behörde schweigen will, muss der Bürger sonst gleich klagen. Und er kommt schwerer und möglicherweise erst zu spät zu einer Information.
Die Gründe, in denen weiterhin eine Geheimhaltung erlaubt wird, sind ähnlich wie bisher: etwa die nationale Sicherheit, die Landesverteidigung, die öffentliche Ruhe sowie Ordnung und Sicherheit. Doch vieles ist eine Abwägungsfrage. Gerade zu Beginn der neuen Regelung werden daher die Gerichte Grundsatzfragen zu klären haben. Die Bürger haben im Licht des neuen Informationsrechts freilich nun auch bessere Chancen, vor Gericht zu obsiegen. Was wiederum die Behörde dazu bringen könnte, von sich aus auskunftsfreudiger zu agieren.
Wie hoch aber die Kosten für eine etwaige nötige Klage auf Information beim Verwaltungsgericht sein werden, wollte Ostermayer am Dienstag noch nicht sagen. Das sei Verhandlungssache und werde später in einfachgesetzlichen Gesetzen geregelt. Die Gebühr solle aber nicht verhindernd wirken.
Für Kritik am Regierungsplan sorgt, dass die Länder eigene wichtige Gründe festlegen dürfen, in denen ihre Behörden Dinge geheim halten dürfen. Die Regierung argumentiert das damit, dass die Länder selbst am besten wüssten, was in ihren Gesetzen wichtig sei. Kritiker fürchten, dass Landeshauptleute sich eigene Gesetze schaffen, um ihre Ämter zum Schweigen zu verpflichten.
Umgang in der Praxis entscheidend
Insgesamt ist das Gesetz ein Fortschritt gegenüber dem Status quo: Informationen von allgemeinem Interesse, etwa Studien oder Gutachten, müssen Behörden künftig sogar von sich aus publizieren. Die weitergehenden Auskünfte, die Bürger einfordern können, gelten übrigens nicht nur für öffentliche Stellen, sondern auch für Unternehmen in öffentlicher Hand.
Viel wird aber davon abhängen, wie die Behörden künftig in der Praxis mit Auskunftsbegehren umgehen. Ob sie das Gesetz nun bürgerfreundlich auslegen oder restriktiv. Und so den Gang zu Gericht nötig machen. Manch Schmankerl der Verwaltung soll es freilich nicht mehr geben: So verweigerte etwa die Gemeinde Langenzersdorf einem Bürger das Ergebnis der Vorzugsstimmenwahl. Das sei ein Amtsgeheimnis. So ein Verhalten werde nach der Novelle unmöglich sein, betont die Regierung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2014)