Nach der gescheiterten Wahl des Staatspräsidenten finden am 25. Jänner Neuwahlen statt. Gewinnt die linke Syriza, ist der Verbleib in der Eurozone ungewiss. Der IWF setzt vorerst Zahlungen aus.
Athen. Es war der dritte und letzte Akt einer griechischen Tragödie: Im Athener Parlament scheiterte am Montag auch im dritten Anlauf die Wahl des griechischen Staatspräsidenten. Auf den Regierungskandidaten, Ex-EU-Kommissar Stavros Dimas, entfielen nur 168 der 180 benötigen Stimmen im 300-köpfigen Abgeordnetenhaus. Die griechische Verfassung schreibt nun die Auflösung des Parlaments und die Durchführung von Neuwahlen vor. Wie der konservative Ministerpräsident, Antonis Samaras, im Anschluss an die gescheiterte Abstimmung bekannt gab, sollen die Parlamentswahlen am 25. Januar 2015 stattfinden.
Damit stürzen die Parlamentarier Griechenland noch vor dem Auslaufen des alten Rettungsprogramms von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Höhe von insgesamt 240 Milliarden Euro in ein politisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Das Land ist nach wie vor von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten, die Verhandlungen über eine neue Kreditlinie für Griechenland sind noch nicht abgeschlossen. Im Fall eines Wahlsiegs des oppositionellen Radikalen Linksbündnisses (Syriza) unter seinem charismatischen Chef, Alexis Tsipras, steht eine Einigung mit den europäischen Partnern in den Sternen – was den Bankrott des Mittelmeerlandes zur Folge haben könnte. Der IWF kündigte gestern bereits an, die Hilfszahlungen an Athen bis zur Bildung einer neuen Regierung auszusetzen. Die nächste Kredittranche könne erst ausgezahlt werden, wenn nach der Neuwahl eine Regierung gebildet worden sei. Auch EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici forderte Griechenland zu einem Festhalten am Reformkurs auf. Ein klares Bekenntnis zu Europa und eine breite Unterstützung für den Reformprozess seien entscheidend, damit das Land innerhalb der Eurozone wieder aufblühen könne, sagte er.
Dass die Abstimmung für die Koalition aus Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) in einer Enttäuschung enden würde, war indes absehbar: Kein einziger Volksvertreter konnte in den fünf Tagen nach dem zweiten Wahlgang auf die Seite der Regierung gezogen werden. Stimme für Stimme lösten sich in der quälenden Prozedur der namentlichen Abstimmung die Hoffnungen auf eine Trendwende im letzten Moment in Rauch auf. Doch Ministerpräsident Samaras und seine Partei dürften in den vergangenen Wochen ohnehin bereits die Vorbereitungen für die Neuwahlen begonnen haben. Dutzende Spitzenbeamte und Leiter wichtiger, staatsnaher Organisationen traten zurück, um ihre Kandidaturen in den Wahlkreisen vorzubereiten. Noch vor dem entscheidenden dritten Durchgang für die Präsidentenwahl meldete sich Samaras am Samstag im Staatsfernsehen nicht etwa mit weiteren Kompromissvorschlägen zur Präsidentenkür zu Wort, sondern präsentierte sich als aggressiver, polarisierender Wahlkämpfer. Tsipras zerre das Volk gegen dessen Willen und gegen den Geist der Verfassung in eine Neuwahl und stürze damit das Land in ein „gefährliches Abenteuer“. Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt seien „hirnlos“.
Angst vor dem Grexit
Dass Tsipras die Neuwahlen durch das Boykottieren der Präsidentenwahl provoziert hat, könnte ihn tatsächlich Stimmen kosten. Auch die Angst vor einem Bankrott und dem Grexit, dem Ausscheiden aus der Eurozone, dürfte Wirkung zeigen: Während Syriza in Umfragen noch im November mit durchschnittlich fünf Prozent vor der ND lag, verringerte sich dieser Vorsprung dieses Wochenende in Umfragen auf 2,5 bzw. 3,2 Prozent. Für Tsipras jedoch ist die Erzwingung von Neuwahlen ein erster Ertappenerfolg auf dem Weg zur Macht. Ob es auch für die Stimmbürger einen Grund zum Feiern geben wird, ist allerdings zweifelhaft.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)