Tumultartige Szenen und Schlägereien bei den Rettungsaktionen der Norman Atlantic in der Adria. Es gibt mindestens zehn Tote.
Athen. Am Ende waren nur noch der Kapitän – anders als bei der Costa Concordia – und fünf Militärs der italienischen Marine an Bord der nach einem Brand auf dem Autodeck in Havarie geratenen Norman Atlantic. Das Fährunglück in der Adria in der Nähe der Insel Korfu kostete mindestens zehn Menschen das Leben, die überwiegende Mehrheit der 478 Passagiere und Besatzungsmitglieder konnte per Hubschrauber indessen in Sicherheit gebracht werden. Darunter auch die fünf Österreicher. Dies bestätigte der Sprecher des Außenministeriums, Martin Weiss, am Montagabend der APA. Der letzte Österreicher an Bord, der Salzburger Erwin Schrümpf, sei nach Angaben der italienischen Küstenwache mittlerweile an Bord des italienischen Marineschiffs San Giorgio, so Weiss. Bis zuletzt hatte zu Schrümpf kein Kontakt bestanden.
Sturmböen und hoher Wellengang behinderten die Rettungsaktion, bei der sich chaotische und dramatische Szenen abspielten. Überlebende berichteten von einem Tumult und von Schlägereien unter den Passagieren, die sich zu den Rettungsbooten und Hubschraubern vordrängen wollten.
Kinder, Frauen und ältere Menschen sollten Vortritt erhalten, schilderte die griechische Sopranistin Dimitra Theodossiu. „Die Männer wollten jedoch nichts davon wissen. Sie schlugen uns und schoben uns weg, um sich als Erste in Sicherheit zu bringen. Es war schrecklich, ich werde es nie vergessen.“ Erschütternd auch der Bericht eines Lkw-Fahrers, der beschrieb, dass der italienischen Mannschaft die Kontrolle über das Schiff und die Passagiere entglitten sei. Die Passagiere seien sich selbst überlassen gewesen, vor allem bei der Rettungsaktion.
Olivenöl als Brandauslöser?
Das italienische Fährschiff Norman Atlantic war von der traditionsreichen kretischen Linie Anek für die Linienroute Patras–Igoumenitsa–Ancona gechartert worden. Im Hafen von Patras wurden bei einer Kontrolle Mängel an einer der Feuerverschlusstüren festgestellt, die aber behoben wurden. Griechische Medien berichten, dass das Deck mit 220 Fahrzeugen überfüllt war. Es befanden sich viele Tankfahrzeuge mit großen Mengen – leicht brennbarem – Olivenöl für den italienischen Markt darunter.
Der griechische Handelsmarineminister Miltiadis Varvitsiotis bestätigte im griechischen Fernsehen live, dass die griechische Seite die italienischen Verantwortlichen darauf hinwies, dass der italienische Kapitän seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Varvitsiotis meinte aber, dass sich mit der Ankunft von Rettern und Ärzten an Bord die Lage normalisiert habe.
Thematisiert wurden in Griechenland auch illegale Emigranten, die sich in der Vergangenheit häufig in Lkws an Bord geschmuggelt haben. Dem Vernehmen nach tauchten bereits zwei Illegale unter den Geretteten auf. Varvitsiotis erklärte, dass die Zahl der Flüchtlinge auf Fährschiffen zurückgegangen sei.
Am Montag brach derweil ein griechisches Schleppschiff Richtung Ionisches Meer auf, Abschleppversuche anderer Schiffe waren gescheitert. (gon/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)