Der Herbst des Generals

Der Frühling hat gerade erst begonnen, schon spürt man auf dem Küniglberg einen bitterkalten Herbst.

Generaldirektor Alexander Wrabetz hat den Stiftungsräten des ORF als Wochenendlektüre sein Strategie- und Zukunftskonzept zustellen lassen: Das Executive Summary dazu deutet auf Unentschlossenheit, die zwar nicht mit Bekenntnissen zum Staatsrundfunk geizt, in den für die Praxis wichtigen Details aber seltsam verschlüsselt bleibt.

Was soll der arme Mann auch tun, der sein Amt im Jänner 2007 mithilfe der grellen Regenbogenkoalition hyperaktiv begann und jetzt in den nicht minder windigen Zeiten rot-schwarzer Proporzpolitik immer stärker in Bedrängnis gerät? Beim ORF ist zuletzt vieles ins Rutschen geraten; die Quote etwa (auch durch eine ungeschickte Programmreform) und das Anzeigengeschäft (nicht nur durch wachsende private Konkurrenz, sondern zuletzt auch durch die anhaltende Wirtschaftsmisere). Einzig stabil scheint zu sein, dass die Parteien ihren Einfluss auf den staatlichen Rundfunk erhalten, wenn nicht sogar ausbauen wollen. Jetzt sind es nur zwei Fraktionen, die anschaffen, das macht den Job als Generaldirektor noch viel riskanter als unter dem unübersichtlichen Regenbogen.

Sieht man den ORF rein politisch, dann sitzt an seiner Spitze der letzte hohe Repräsentant der kurzen Ära von Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Er ist ein Auslaufmodell. Unter solchen Umständen, in denen nicht nur die ÖVP, sondern auch der gefährlichste Gegner des Altkanzlers – Parteifreund Werner Faymann – Breitseiten gegen Wrabetz abschießt, wäre es verwegen vom Generaldirektor, ein kantiges, notwendig schmerzhaftes, heilsames Strategiekonzept zu präsentieren. Wer will denn schon Hofberichte fordernde Landeshauptleute beleidigen, indem man ernsthaft über das Abspecken der Landesstudios nachdenkt? Wer bringt freiwillig die vernünftige Variante ins Spiel, dass man den ORF auf einen rein durch Gebühren finanzierten Kanal reduzierte? Wrabetz sicher nicht.

Die Devise lautet nun offenbar: Bis auf Abruf weitermachen wie bisher auf dem denkmalgeschützten Küniglberg. Und von einem unabhängigen ORF-Zentrum in Erdberg träumen.


norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Medien

ORF: Kurssuche auf rauer See

Alexander Wrabetz legt Zukunfts-Konzept vor, rechnet mit seiner vorzeitigen Ablöse. Dass er selbst bis 2011 das Steuerrad in der Hand hält, glaubt er nicht.
Leitartikel

Wir sind Österreich. Stimmt. Leider.

Das ORF-Konzept von Alexander Wrabetz interessiert irgendwie keinen. Im Kern wird er aber recht behalten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.