Wie die Milch ins Essen kam

Frische Milch wird in ein Glas geleert
Frische Milch wird in ein Glas geleertErwin Wodicka - BilderBox.com
  • Drucken

Dank einer Mutation hat sich die Milchviehhaltung vor Jahrtausenden etabliert.

Genau genommen haben wir all jene köstlichen Mehlspeisen, die auf Milch basieren, einer Mutation zu verdanken. Jener Mutation nämlich, die es auch Erwachsenen ermöglicht, Milchzucker zu verwerten. „Früher konnten Milchzucker nur Kleinkindern verwerten. Erst durch eine mutative Entwicklung war das auch Erwachsenen möglich. Die Ausbreitung der Milchviehhaltung hängt also stark mit dieser Mutation zusammen“, sagt Martin Wagner vom Institut für Milchhygiene an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Milchviehhaltung begann mit der Sesshaftigkeit der Menschen vor etwa 10.000 Jahren. Anfangs wurden vorwiegend Schafe und Ziegen gehalten, erst später entdeckte der Mensch auch die domestizierten Wiederkäuer für sich.

Heute spielen Schafe und Ziegen in puncto Milchwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle. So stehen laut Statistik Austria (Stand 2013) in Österreich rund 525.000 Milchkühe 32.000 Milchziegen und 25.600 Milchschafen gegenüber. Eine Milchkuh gibt im Schnitt etwa 6500 kg Milch, während die Leistung bei Ziegen (643 kg) und Schafen (429 kg) weit darunter liegt (die Statistik Austria misst in Kilogramm).


Im Schnitt 14 Milchkühe. Milchwirtschaft ist in Österreich übrigens seit jeher kleinteilig, was wiederum an den vergleichsweise kleinen Futterflächen liegt. „Ein durchschnittlicher Betrieb hat in Österreich 14 laktierende Tiere, das sind jene Kühe, die gemolken werden. In England sind es 150 laktierende Milchtiere“, so Wagner, der beobachtet, dass sich diese Zahl gerade leicht, aber doch ändert. Die Anzahl der Betriebe gehe zurück, die einzelnen Betriebe werden hingegen größer. Die Zahl der Milchkühe bleibt also konstant. Die kleinen Betriebe, allen voran Nebenerwerbsbauern, werden weniger. 50 Prozent der Wertschöpfung bei Milch und vor allem Milchprodukten werden im Ausland gemacht.

Dass Milch hierzulande eine wichtige Rolle in der Mehlspeisenkultur spielt, liegt aber nicht nur an der Tradition der Viehhaltung. Wolfgang Kneifel, Leiter des Instituts für Lebensmittelwissenschaften an der Boku Wien, macht die Hauptbestandteile der Milch, vor allem Milchfett, Proteine und Milchzucker, für die Beliebtheit der Milch verantwortlich. Die Zusammensetzung der Milch und auch die durch Wärmebehandlung entwickelten Aromen seien für das geschmackliche Ergebnis verantwortlich. „Die Aromen entstehen durch die Proteine, und Milchfett ist ein wunderbarer Geschmacksträger“, so Kneifel. Für die geschmacklichen Unterschiede von Milch führt er mehrere Gründe an: „Das hängt mit der Jahreszeit, mit der Fütterung und auch mit der Rinderrasse zusammen.“

Die Fütterung wirkt sich vor allem auf die Zusammensetzung der Milchfettsäuren aus. So führt die Verfütterung von Gras (Grünfütterung) zu einem Anstieg an ungesättigten Fettsäuren (u. a. Omega-3-Fettsäuren) im Milchfett, während Dürrfutter, also Heu, den Anteil an ungesättigten Fettsäuren sinken lässt.

Das Image der Milch hat sich trotz Unverträglichkeiten und der früher herrschenden Meinung, dass Milchfett ein Herz-Kreislauf-Risiko darstelle (was widerlegt wurde), verbessert. Heute weiß man die bis zu 400 verschiedenen Fettsäuren sowie Vitamine und Mineralstoffe in der Milch zu schätzen. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei knapp 80 kg. Doch gibt es einen Trend weg von der Trinkmilch hin zu Milchprodukten. Wobei laut Kneifel die Amerikaner wieder mehr trinken. „Man kehrt wieder zu Milchshakes zurück.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.