Snowboard-WM: Benjamin Karl – Erfolg als einzige Selbstbestätigung

SNOWBOARD - FIS WC Bad Gastein
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Der Niederösterreicher kann auf dem Kreischberg sein fünftes Gold gewinnen. Er erlebt eine Zeitreise – 2003 war er noch Fan.

Wien. „Entschuldigung, Sie sind doch der Snowboarder Benjamin Karl?“ Zwei Mädchen strahlten, als sie Österreichs Snowboard-Star am Dienstag im Wiener Café Rochus entdeckten und glucksend um ein Autogramm baten. Damit war schnell erklärt, welchen Stellenwert seine Sportart, die Erfolge oder die am Kreischberg anhebende WM bei jüngeren Fans genießen. Karl, 29, jedenfalls war guter Dinge, er hat Großes vor bei der Heim-WM in der Steiermark. Er sagt: „Ich will auf dem Kreischberg Geschichte schreiben.“

Vielleicht wollte es das Schicksal so, Karl wusste so recht keine Antwort auf die Frage, doch in der Steiermark könnte sich nun für ihn der Kreis schließen. Bei der WM 2003 war er noch als Fan vor Ort, er himmelte Snowboard-Pionier Martin Freinademetz an und jubelte Sigi Grabner zu, der triumphal Gold im Parallel-Bewerb gewann. In der Gegenwart gilt der Niederösterreicher als „Karl, der Große“ in der Szene mit Olympia-Silber (2010), -Bronze (2014), vier WM- sowie vierzehn Weltcupsiegen. Bislang hat es kein Boarder geschafft, fünfmal eine WM zu gewinnen. Ihm könnte es auf eigenem Boden, vor eigenem Publikum gelingen.

Es käme einer Krönung gleich. Karl musste lachen, „es wäre wohl eine außergewöhnliche Ausnahmestellung“, aber eine Alleinherrschaft, nein. Zudem, das Rennen müsse er doch erst gewinnen und wer wie er seit 2011 vergeblich auf einen Weltcupsieg wartet und selbst bei der Generalprobe in Bad Gastein (8.) nicht glücklich wirkte, der dürfe nichts voraussetzen.

„Ich will immer gewinnen“

Für Benjamin Karl ist die Rückkehr der WM zum Kreischberg in gewisser Weise eine Reise durch die Zeit. „2003 war ich in der dritten Handelsschule“, erzählt er. Acht Jahre lang hatte er da bereits sein Talent darin geschult, das Gleichgewicht auf dem damals – sowohl auf Pisten als auch im ÖSV-Verband – verpönten Board zu halten, mit Tempo zu verbinden.

Karl war nach Auftritten in Klubbewerben, Landescups und der Austrian Snowboard Association (ASA) interessiert daran, „was denn die Großen bei einer WM zusammenfahren“. Snowboarder waren als Rowdies verschrien, der Auftritt von Freinademetz bei den Spielen in Nagano 1998 (Eklat im Hotel) hatte durchaus nachhaltige Wirkung. Doch mit WM und Olympia waren Verbände wie ASA endgültig verschwunden, Sportarten verschmolzen, neue Disziplinen wuchsen. Snowboard hielt Einzug im ÖSV, und damit war das Outsider-Dasein schlagartig vorbei.

Karl sagt, dass es dennoch eine „schöne Zeit“ gewesen sei. Wer lasse sich schon gerne etwas vorkauen? Als Athlet müsse man selbst entscheiden, ob man diesen Vorgaben gerecht wird oder in gewissen Belangen nicht doch auch seine „eigene Redefreiheit wahrnimmt“.

Er nimmt sich auch nach elf Jahren im Weltcup weiterhin kein Blatt vor den Mund, spricht Tatsachen offen an und wird dafür auch respektiert. Die WM im Murtal („Unter dem Jahr eine Geisterbahn“) sei ein Gewinn für Region und Sport, tausende würden kommen. Mit der WM von 2003 sei alles nicht mehr zu vergleichen. Jetzt gebe es bessere Infrastruktur, neue Pisten, Lifte, Hotels – alles habe sich weiterentwickelt. Auch Karl selbst, obwohl der seit zwei Jahren stolze Familienvater nichts von seiner Einstellung, Zielstrebigkeit oder Motivation verloren hat. Er sagt: „Ich will immer gewinnen, ich will Rekorde brechen, mich und meinen Sport promoten.“

Die Selbstbestätigung

Ein Ziel wird der Niederösterreicher nie erreichen, die Bestmarke des Franzosen Mathieu Bozzetto bleibt höchst wahrscheinlich außer Reichweite. 34 Weltcupsiege werde der zweimalige Gesamtweltcupsieger nicht schaffen, dafür sei Bozzetto zu gut gewesen, auch gab es bis 2008 noch mehrere Weltcupstationen als aktuell. Warum dem so sei, Karl schüttelte den Kopf, er wisse es nicht. „Über den Snowboard-Sport muss man mit der FIS reden, nicht mit den Fahrern.“

Gold bei der Heim-WM ist sein erklärtes Ziel, und gelingt es dem Spezialisten für Großereignisse, wird ihm der Besitz des ÖSV-Ausweises wohl noch leichter fallen, er „wieder so gut schlafen wie schon lange nicht mehr“. Es ist und bleibt das Streben nach der Selbstbestätigung, die Spitzensportler wie er so unaufhaltsam einfordern.

ÖSV-KADER

Parallel-RTL: Damen: Dujmovits, Kreiner, Riegler, Schöffmann. Herren: Karl, Kislinger, Mathies, Prommegger. -Slalom: Damen: Dujmovits, Kreiner, Schöffmann. Herren: Karl, Kislinger, Mathies, Prommegger.

Snowboardcross: Damen: Moll, Neussner, Ramberger. Herren: Douschan, A. Hämmerle, Schairer, Lüftner.
Slopestyle:
Damen: Gasser. Herren: Kundratitz, Lindmoser, Prietl, Weißenbacher.
Big Air: Kundratitz, Millauer, Prietl. Weißenbacher.

AUF EINEN BLICK

Benjamin Karl, 29, will bei der Snowboard-WM auf dem Kreischberg die Fahrt in das Geschichtsbuch schaffen und als erster Boarder das fünfte WM-Gold gewinnen. Der Niederösterreicher siegte bereits 2009 in Gangwon, 2011 in La Molina (Riesenslalom und Slalom) sowie 2013 in Stoneham.

2003, bei der ersten Snowboard-WM in der Steiermark, war Karl noch als Fan vor Ort. Er sagt: „Ich will immer gewinnen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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