Genf als Plan B für Saudi-Zentrum

Abdullah-Zentrum
Abdullah-Zentrum(c) Stanislav Jenis
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Während die heimische Politik noch über den Umgang mit der Wiener Institution streitet, lotet man dort neue Standort-Optionen aus. Das Außenamt warnt vor Schaden für Österreichs Ruf.

Wien. Angesichts der lautstarken öffentlichen Kritik stellt sich das umstrittene Abdullah-Zentrum bereits auf einen Abzug aus Wien ein. Schon vorletzte Woche – und damit lange vor dem Bericht des österreichischen Außenministeriums vom Dienstag – reiste Generalsekretär Faisal bin Abdulrahman bin Muammar für mehrere Tage nach Genf, um eine mögliche Verlegung des Zentrums in die Schweizer UN-Metropole auszuloten, wie „Die Presse“ aus internationalen Diplomatenkreisen erfuhr.

Der Sprecher des Zentrums, Peter Kaiser, bestätigte auf Anfrage zwar die Reise des saudischen Ex-Vizeministers nach Genf, der sich unter anderem mit dem dortigen Chef der Vereinten Nationen, Michael Moeller, traf. Ihm sei aber nicht bekannt, ob es dabei auch um den Amtssitz gegangen sei, so Kaiser. In Wien gebe es Überlegungen, die Räumlichkeiten auszuweiten.

Tatsächlich aber hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) auf eine Schließung des Zentrums gedrängt. Der von ihm verlangte Evaluierungsbericht des Außenministeriums, der am Dienstag im Ministerrat diskutiert wurde, warnt dagegen vor schweren diplomatischen Verstimmungen und einen Vertrauensverlust für den Amtssitz Wien. Als solcher befindet sich Österreich ohnehin in einem harten Standortwettbewerb mit anderen Städten – darunter auch Genf.

Neben möglichen Konsequenzen in den bilateralen Beziehungen zu Saudiarabien könnte sich die Sache auch auf andere internationale Organisationen in Wien auswirken, heißt es in dem Bericht. Er nennt einen möglichen Abzug der Erdöl-Organisation Opec sowie des Opec-Fonds für Internationale Entwicklung – beides Organisationen, in denen Saudiarabien eine wichtige Rolle spielt.

Faymanns Verhalten „schadet wirklich“

Die Regierung beschäftigte sich am Dienstag beim Ministerrat durchaus emotional mit dem Bericht. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka kritisierte noch vor dem Treffen die Linie der SPÖ: Es sei „schwer nachvollziehbar“, wie Kanzler Faymann, der seinerzeit das Abkommen mitunterzeichnet habe, „plötzlich als Oppositionspolitiker agiert“. Sein Verhalten „schadet hier wirklich“. Er appellierte daher an den Kanzler, „seine Kampagne zumindest eine Zeitlang einzustellen“. Faymann überlegt einen Ausstieg aus dem Vertrag unter anderem deshalb, weil das Zentrum zur Folter durch Peitschenhiebe des Bloggers Raif Badawi schwieg.

Nach dem Ministertreffen, also im Pressefoyer, ging das Match auf höchster Ebene zwischen den beiden Parteien weiter: Das Zentrum soll „kein Schweigezentrum sein“, meinte Faymann. „Jetzt geht es um die Frage, ob eine neue Aufstellung möglich ist.“ Ansonsten müsse man eben über ein Ende der österreichischen Bemühungen in diesem Bereich offen diskutieren. In Richtung Lopatka fügte Faymann hinzu: „Wenn es eine Kampagne ist, dass sich ein interreligiöses Zentrum für Menschen einsetzen soll, die den interreligiösen Dialog wollen – dann lässt das tief blicken.“ Nachsatz: „Auf so eine Kampagne bin ich stolz.“

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner verdreht daraufhin gereizt die Augen. Es sei gar nicht die Aufgabe des Zentrums, sich für Menschenrechte starkzumachen. Schließlich sei es kein „Amnesty-International mit saudiarabischer Beteiligung“. Außerdem würde er „jeden ersuchen, den Vertragsinhalt zu lesen, bevor man einem Zentrum vorwirft, es würde nicht entsprechend handeln“. Wenn, dann müsse man sich selbst vorwerfen, kein passendes Mandat für das Zentrum ausverhandelt zu haben. Bei der Gründung war Faymann bereits Kanzler.

Der Bericht konstatiert bedeutende Mängel in Struktur, Arbeitsweise und der Kommunikationspolitik. Empfehlung: eine „tiefgreifende Reform und Neuaufstellung des Zentrums“ – auf Grundlage von Verhandlungen mit den anderen Vertragsparteien, also Saudiarabien und Spanien. Alternative: Österreich tritt aus, oder das Zentrum wird überhaupt aus Wien abgezogen. Die relevanten Verträge – das Gründungsübereinkommen und das Amtssitzabkommen – sehen für den Austritt eine Frist von drei Monaten vor, sechs Monate für die Aufkündigung des Amtssitzes. Eine „sofortige Schließung“ oder ein „einseitig erzwungener Abzug aus Wien“ stellten einen Völkerrechtsbruch dar, warnt der Bericht.

Fischer muss Ausstieg zustimmen

Wie geht es jetzt also weiter? Kanzler Faymann will sich den Bericht „in Ruhe“ durchlesen und in den nächsten Tagen eine endgültige Meinung bilden. Gefragt ist allerdings auch Bundespräsident Heinz Fischer: Ohne seinen Sanktus kann Österreich nicht aus dem Vertrag aussteigen. Und der war bisher auf einer Linie mit der ÖVP.

AUF EINEN BLICK

Zum Ministeriumsbericht:www.diepresse.com/berichtDas König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) wurde 2011 von Österreich, Spanien und Saudiarabien gegründet und im November 2012 im Wiener Palais Sturany eröffnet. Der Heilige Stuhl nimmt als Beobachter teil. Ziel ist ein Dialog der Religionen.

Die Initiative ging vom verstorbenen saudischen König Abdullah aus. Riad übernimmt die Kosten des Dialogzentrums – jährlich rund 15 Millionen Euro. Kritiker befürchteten von Beginn an einen Versuch Riads, sein international ramponiertes Image aufzupolieren. Die Verurteilung des saudischen Bloggers Raif Badawi zu 1000 Peitschenhieben, zu der das Zentrum schwieg, hat die Debatte um eine Schließung zuletzt wieder entfacht und einen Streit innerhalb der Regierungskoalition ausgelöst.

IM WORTLAUT

Aus dem Außenamtsbericht: „Österreich könnte nicht nur in seinen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in der Region mit konkreten Auswirkungen konfrontiert sein, sondern auch als Amtssitz internationaler Organisationen. (...) Dem österreichischen Botschafter in Saudi-arabien wurden bereits mögliche Konsequenzen in Aussicht gestellt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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