Bei der Präsidentenkür hat Regierungschef Renzi vorerst einen Coup gelandet und Oppositionsführer Berlusconi ausmanövriert. Heute soll die Entscheidung fallen.
Rom. Eineinhalb Tage ist die Prozedur bereits im Gang. Dreimal wählten 1009 Abgeordnete, dreimal las Parlamentspräsidentin Laura Boldrini jede einzelne Stimme vor. Dabei wissen alle, dass nichts herauskommen wird, nichts herauskommen darf in diesen ersten drei Runden zur Wahl des neuen italienischen Präsidenten. Die Fäden werden nämlich für den vierten Wahlgang am heutigen Samstag gezogen, bei dem der Nachfolger Giorgio Napolitanos bestimmt werden soll.
Gekrönt fühlen wird und darf sich dann allerdings ein anderer: Regierungschef Matteo Renzi. Jedenfalls, wenn alles so läuft, wie er es eingefädelt hat. Renzi hat in einem taktischen personellen Coup wieder einmal alle überrumpelt. Silvio Berlusconi, der bis kurz vor Wahlbeginn glaubte, mit dem Chef der Sozialdemokraten über einen Präsidentschaftskandidaten verhandeln, Wünsche äußern und Bedingungen stellen zu können, sah sich auf einmal ausmanövriert.
Renzi diktierte einen Kandidaten, und zwar einen, den Berlusconi genau nicht wollte: Sergio Mattarella, 73 Jahre alt, Verfassungsrichter, aus dem linken Flügel der untergegangenen Democrazia Cristiana zu den Sozialdemokraten gewandert, mehrfach Minister, seit 2008 parteipolitisch nicht mehr aktiv.
Den ersten Erfolg kassierte Renzi unverzüglich: Der genauso verblüffte linke Flügel in seiner eigenen Partei, der Renzi beschuldigt hatte, wieder einmal mit Erzfeind Berlusconi zu paktieren, zeigte sich beglückt über die Nominierung Mattarellas. Bei einer Probeabstimmung unter den sozialdemokratischen Delegierten sagte keiner Nein zu Mattarella, nicht einmal Enthaltungen vermeldet das Protokoll.
Renzi hat also geschafft, was ihm nur noch wenige zugetraut hatten: die am Rand der Spaltung stehende Partei zu einen. Die Frage war am Freitag nur, wie lange die Einigkeit anhalten würde. Auch einem Romano Prodi ist unter den Sozialdemokraten ja allgemeine Zustimmung zuteil geworden, als er 2013 für die Staatspräsidentschaft kandidierte. Bei der Wahl selbst allerdings torpedierten ihn 101 Abgeordnete aus den eigenen Reihen.
Keine Schmach wie 2013
„Eine solche Schmach dürfen wir uns nicht noch einmal leisten“, gab Renzi als Losung aus. Seine parteiinternen Gegner schwören, sie würden sich diesmal an die Stallorder halten – und in den ersten drei Wahlgängen haben tatsächlich die meisten, wie gewünscht, leere Stimmzettel abgegeben. So gesehen dienten diese ersten Runden auch der gegenseitigen Kontrolle. Rein rechnerisch konnte dabei sowieso kein Präsident herauskommen: Eine Zweidrittelmehrheit in der Bundesversammlung bringen Renzi und die anderen Mattarella-Fans nicht zustande. Deswegen hofft Renzi auf den vierten Wahlgang am Samstag, bei dem eine absolute Mehrheit reicht.
Berlusconi schmollt derweil. Renzi habe den Pakt kaltblütig aufgekündigt, schimpfen die Getreuen des Ex-Premiers. Nun stellen sich die Forza Italia und die Verbündeten erst recht gegen Mattarella. Und es schien so, als habe sich Berlusconi in die Niederlage gefügt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)