Wien: Weckruf für Wohnviertel

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Damit Grätzel aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, muss einiges zusammenpassen: von harten Fakten und jungen Leuten, die gerne Neues ausprobieren.

Der siebente Bezirk ist längst ausgeschlafen, Teile des zweiten sind schon recht wach. Und für den einen oder anderen Bereich des dritten und vierten prognostizieren Experten ein baldiges Ende des Dornröschenschlafs. Immer wieder passiert es, dass sich bestimmte Gegenden von recht unattraktiven Wohnlagen zu rege nachgefragten Grätzeln mausern.

Das Viertel rund um den Rochusmarkt in Wien-Landstraße und Teile des vierten Bezirks, vor allem jener zwischen Prinz-Eugen- und Wiedner Hauptstraße, stecken etwa für Christoph Petermann, Geschäftsführer der Raiffeisen Immobilien Vermittlung, voll Potenzial. Anzeichen, die im dritten Bezirk für eine Aufwertung sprechen: „Rege Bautätigkeit, auch im Dachgeschoß. Mehr und mehr Gastronomie, gute Nachfrage nach Büros und Wohnungen“, nennt Petermann Beispiele. Im vierten Bezirk sei es noch ruhiger, es gebe aber gute Bausubstanz, schöne Altbauten.

Erst der Impuls, dann die Lokale

Was aber sind die Voraussetzungen, dass sich manche Gegenden gut entwickeln? Und warum werden andere nie vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan mutieren? Häufig ist es ein Impuls von außen, der den Aufschwung auslöst. Etwa Infrastrukturmaßnahmen wie die Umwidmung bislang brachliegender Flächen oder der Aus- oder Umbau von Bahnhöfen – Stichwort Wien-Mitte, Haupt-, West- und Nordbahnhof. Solche Aktivitäten rufen oft weitere Akteure auf den Plan. Bauträger etwa, die immer auf der Suche nach Gebieten sind, in denen sich mit revitalisierten Wohnungen oder neuen Anlagen Geld verdienen lässt. Oder auch die Gastronomie: „Diese hat für solche Entwicklungen einen guten Riecher“, meint Petermann.

Hard Facts wie der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel allein müssen aber nicht unbedingt einen Aufwachprozess im Viertel starten. „Man kann natürlich Initialzündungen setzen“, sagt Johannes Endl, Geschäftsführer der Örag Immobilien Vermittlungs GmbH. „Aber ob mehr daraus wird, muss sich erst zeigen.“ Auch die Projektentwickler können mit dem Bau neuer Wohnungen und Büros seiner Meinung nach „nur einen Nährboden bereiten“.

Damit eine lebendige Grätzelstruktur  wachsen kann, braucht es mehr. Nämlich den künftigen Bewohner und Nutzer, der plötzlich Gefallen an der Gegend findet. Und sich durchaus vorstellen kann, dort auch zu leben, einzukaufen, auf ein Bier zu gehen. „Genau das lässt sich aber nicht auf dem Reißbrett planen“, sagt Endl. Meist sind diese „first mover“, wie Petermann sie nennt, junge, kontaktfreudige, urbane Leute, „die keine Ressentiments haben, in neue Bezirke zu ziehen.“

Teile des siebten und des zweiten Bezirks sind für Immobilienfachleute Beispiele für gelungene Prozesse dieser Art in Wien. In der Leopoldstadt ist die Entwicklung noch voll im Gang. U-Bahn, neues Messezentrum, Nordbahnhof und Viertel Zwei trugen das Ihre zur Entwicklung bei. Und dass künftig an die 20.000 WU-Studenten dort lernen, in Lokalen sitzen und zum Teil vielleicht auch wohnen werden, sorgt für einen zusätzlichen Impuls. „Das ist ein weiterer Baustein des Aufschwungs“, sagt Michael Zöchling, Geschäftsführer der Bareal Immobilientreuhand GmbH. Auch Endl prognostiziert rosige Zeiten, etwa für das Stuwerviertel, „auch wenn es jetzt noch einen gewissen Ruf hat.“

Zu ebner Erd und letztem Stock

Die Gegenden um Brunnen- und Karmelitermarkt haben nach Meinung der Experten ebenfalls aufgeholt, rund um den Naschmarkt war die Entwicklung besonders dynamisch. Dort kann man nun mit tollen Dachausbauten Preise erzielen, für die sich so manche Citywohnung nicht schämen müsste. Ein Blick nach oben hilft ohnehin sehr gut dabei, zu erkennen, ob es mit einem Viertel aufwärts geht. Nehmen sich Projektentwickler der Dächer an, ist das meist ein untrügliches Zeichen. Für Endl geben aber auch die Erdgeschoßzonen Auskunft. Aufwärts geht’s, wenn „Lokale, nette Läden, kleine Galerien die eher seltsamen Geschäfte ablösen.“ 

Nach oben geht es allerdings auch mit den Preisen für Wohnungen, ist ein Grätzel erst einmal aus dem Dornröschenschlaf erwacht. So lassen sich, erklärt Petermann, für Wien-Landstraße bereits Steigerungen erkennen, die im Schnitt über jenen in anderen Bezirken liegen. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2009)

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