"Noch keine Ebola-Entwarnung"

Durchatmen. Das Personal der Quarantänestation in der Stad Koidu im östlichen Sierra Leone macht Pause.
Durchatmen. Das Personal der Quarantänestation in der Stad Koidu im östlichen Sierra Leone macht Pause.(c) REUTERS
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Die Zahl der Ebola-Neuinfektionen geht zurück, das Schlimmste scheint überstanden. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen sieht den Ausbruch aber noch nicht unter Kontrolle.

"Jeden Tag sterben Menschen an Ebola in unseren Zentren. Hier, in der Hauptstadtregion Sierra Leones, ist der Ausbruch keinesfalls unter Kontrolle. Die Situation ist weit davon entfernt, als akzeptabel bezeichnet zu werden", warnt Marcus Bachmann. Der Osttiroler ist seit Ende November für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) als Einsatzleiter im westafrikanischen Sierra Leone tätig. "Pro Tag werden in der Hauptstadt noch immer zwischen sieben und zehn Ebola-Fälle gemeldet", erzählt der 48-Jährige im Telefongespräch mit der "Presse".

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Vereinten Nationen (UNO) haben in den vergangenen Tagen von einer Entspannung der Situation berichtet: Die Zahl der Ebola-Neuinfektionen ist seit Juni 2014 erstmals auf unter 100 in einer Woche gefallen. Somit sei das Schlimmste überstanden, so die WHO. Nun beginne die zweite Phase der Ebola-Bekämpfung mit dem Schwerpunkt, die Epidemie zu beenden. Bisher waren die internationalen Bemühungen darauf konzentriert, die Verbreitung der oft tödlichen Seuche zu verhindern, schrieb die WHO in einer Aussendung.

Doch Ärzte ohne Grenzen warnt davor, die Bemühungen im Kampf gegen die Ausbreitung der Seuche zurückzufahren. "Die Zahlen suggerieren eine Stabilisierung der Situation oder möglicherweise sogar eine Trendumkehr. Von Entwarnung kann man aber noch nicht sprechen", sagt Bachmann. Halte man die Anstrengungen jetzt nicht am Laufen, sei jederzeit ein Rückfall möglich. Ein einziger Ebola-Infizierter, der nicht rechtzeitig als solcher erkannt wird, kann neue Übertragungsketten auslösen - und die Ebola-Epidemie flammt wieder auf. "Gerade jetzt müssen die Anstrengungen erhöht werden, um tatsächlich Kontrolle zu erlangen", fordert Marcus Bachmann.

Raus aus der Defensive

"Man muss sehr vorsichtig sein", meint auch Georg Geyer im Gespräch mit der "Presse". Der Wiener arbeitet als Logistiker ebenfalls für MSF, war am Aufbau von Ebola-Behandlungszentren beteiligt. Eine Besserung der Situation vor Ort habe er jedenfalls gesehen. Bei seinem ersten Arbeitsaufenthalt habe das Gefühl vorgeherrscht, "keine Chance zu haben. Wir waren völlig in der Defensive." Bei seinem zweiten Einsatz in Sierra Leone, von dem er erst kürzlich wieder nach Österreich zurückgekommen ist, hatte er ein besseres Gefühl: "Wir sind auf einem guten Niveau, wenn jetzt so weitergearbeitet wird, haben wir es geschafft."

Seit rund einem Jahr wütet in Westafrika eine beispiellose Ebola-Epidemie: Knapp 22.000 Menschen erkrankten an der Infektionskrankheit, 8641 starben. Die ersten Ebola-Fälle traten bereits im Dezember 2013 im Süden Guineas auf. Im Dreiländereck verbreiteté sich das tödliche Virus rasch: Von Guinea schwappte es auf Liberia und Sierra Leone über. Es folgten kleine Ausbrüche in Nigeria und in Mali, die aber rasch unter Kontrolle gebracht werden konnten. Zu Beginn des Ausbruchs dauerte es allerdings einige Monate, bis die Erkrankungen korrekt diagnostiziert wurden.

Medikamenten-Verteilaktion

Darin sieht auch Marcus Bachmann eine der größten Herausforderungen: Die Anfangssymptome von Ebola und Malaria - der häufigsten Infektionskrankheit weltweit - gleichen sich völlig. Somit müssen alle Patienten, die mit Fieber in die Behandlungszentren kommen, in die Isolierstation gebracht und als möglicher Ebola-Fall behandelt werden. Das belaste das "eh schon vollkommen überlastete Gesundheitssystem" noch zusätzlich.

Daher hat MSF in den dicht besiedelten Slums Freetowns eine Verteilungsaktion an Malaria-Medikamenten gestartet. "So viele Menschen, wie in ganz Wien wohnen, haben die Medikamente bekommen", sagt Bachmann. Erste Erfolge seien schon sichtbar: Die Zahl der Malaria-Erkrankungen ist zurückgegangen - und damit auch die Zahl der Ebola-Verdachtsfälle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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