Ein Plädoyer für längst Vergriffenes

Reiseführer
ReiseführerTeresa ZÖTL
  • Drucken

Ein Plädoyer für längst Vergriffenes: Früher waren Reiseführer besser – so gestrig das klingen mag.

Man schließe die Augen und versetze sich... nein, nicht an den ewigen Karibikstrand mit den Palmen. Sondern in einen Buchladen, vor die Reiseregale. Man erinnere sich an früher. Und dann hebe die Hand, wer sich da nicht in einen strukturkonservativen Kulturpessimisten und raunzenden Bildungsbürger verwandelt.

Die Reiseführer werden immer dünner, die Texte kürzer, die Bilder größer. Vorbei die Zeit, als literarische Größen wie Peterich oder Raffalt in ein Italien zwischen Traum und Wirklichkeit entführten. Sie zeichneten noch „ein Bild in der Seele“, wie Geheimrat Goethe gesagt hätte. Auch die wunderbaren Ausflüge Peter Sagers auf die Insel der Briten oder Reinhard Winters grandiose Einladung ins karge Kastilien sind nur noch gebraucht zu haben. Stattdessen grinsen uns bunte, schmale Bändchen entgegen, zwei Dutzend für jedes Standardziel, in denen überall das Gleiche steht: gnadenlose Sternchenrankings und Abhaklisten für all das Schöne, das sich jeder Wertung entzieht. Toptipps, die zum Zeitpunkt der Drucklegung schon veraltet und im Internet allemal aktueller abrufbar sind. Und gehetzte Tagesprogramme, die für jede Stadt vorschreiben, wo man um zehn, zwölf, am Abend und um zwei Uhr früh aufzukreuzen hat, um nur ja nichts zu versäumen.

Charme und Flair gelassen in sich aufsaugen? Sich vom Fremden inspirieren lassen, sich einfühlen, auf dass es einem vertraut werde? Und so womöglich zu sich selbst finden? Ach, davon las man früher, als manches wirklich besser war. Zuweilen muss ich eben dazu stehen, hoffnungslos von gestern zu sein.

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Michael Laczynski.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.