Opernball-Stilkritik: Echsenkrägen und weißes Wuscheln

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Kurz schaffte es der Opernball auf den Radar der globalen Mode-Community, auch Karl Lagerfeld war ansatzweise da.

Wien. Es geht halt nichts übers Dabeisein: Von fern Genossenes, und sei es Wiens wichtigster Ball, schmeckt häufig schal und öd. Wer also der TV-Darbietung des Opernballs beiwohnte, musste anno 2015 einiges an Eintönigkeit ertragen und sehnte sich entweder in medias res – oder gleich ins Bett. Denn die Uhren ticken heutzutage schneller, als Fernsehveteranen ahnen mögen: Wenn im TV kryptisch das Nahen eines Überraschungs-Stargasts angekündigt wird, weiß die Social-Media-Gemeinde längst, dass Kathrin Glocks neue Busenfreundin Naomi Campbell in Privatjet und Alaïa-Robe naht.

Frau Campbell also: Irgendwann ein Superduper-Topmodel, und irgendwie noch immer eine Berühmtheit von Weltrang. Sie hievte die Veranstaltung auch für ein paar Millisekunden auf die Mindmap der globalen Modecommunity (immerhin: 1,2 Millionen Follower auf Instagram). Auch entsprach sie dem unübersehbaren Trend unter Gästen (sogar von Harald Glööckler validiert, das will etwas heißen), sich in weißen Wuschelpelz zu hüllen.

Herr Lugners Stargästin, die einst mit einem Filmschauspieler liierte Elisabetta Canalis, gab sich durchaus artig und freundlich. Dem Baumeister dürfte das fad geworden sein, schließlich gelang es ihm aber doch, sie dermaßen energisch beim Walzer um die eigene Achse zu wirbeln, dass sich das berüchtigte Celebrity-Pannenformat „Busenblitzer“ zutrug. Übrigens stand Herr Lugner offenbar mit seinem Schuh auf dem Saum ihres Westwood-Kleides und trug so proaktiv zum Verrutschen bei: ein Janet-Jackson-Moment!

Abwesende Größen

Aus Modeperspektive interessant wären gewiss zwei abwesende Berühmtheiten gewesen: Kate Moss war, wie es hieß, in der Stadt, doch scheute sie die Topmodel-Reunion mit Kollegin Campbell. Nicht blicken ließ sich auch des Landes derzeit berühmteste Tochter, die selbst in Hollywood und Paris rote Teppiche beschreitet: Conchita Wurst kam zu spät aus Italiens Musikmekka San Remo zurück, um noch einen Hauch Glamour am Opernball zu verbreiten. Da und dann natürlich doch wieder nicht war der Welt berühmtester Modemacher, Karl Lagerfeld: Eine vom deutschen Boulevard recht treffend als „Botox Boys“ bezeichnete Trias verunstalteter Schönheitschirurgieklienten kleidete sich unübersehbar lagerfeldesk. Gut gemeint wahrscheinlich, aber auch sehr entbehrlich.

Kühn, wie eigentlich stets, war die Farbwahl von ORF-Kulturdoyenne Barbara Rett, aber solch knalliger Mut sei ihr in trüben Wintertagen hoch angerechnet. Nicht minder interessant waren die Materialmix-Details, mit denen Angelika Kirchschlagers Kleid ausgestattet waren, und Sunnyi Melles gab sich in einer leuchtenden LED-Robe von Albert Kriemler geradezu futuristisch.

Tatsächlich lobenswert ist das Engagement von Desirée Treichl-Stürgkh für die heimische Modeszene, die sie etwa mit einem eigenen Salon im Vorfeld förderte. Ihre Entscheidung, ein Kleid von der wirklich grandiosen, jedoch auch sehr verhalten agierenden Designerin Susanne Bisovsky zu tragen, kam der Ballmutter auch ästhetisch zugute.

Apropos heimisches Modeschaffen: Die von Atil Kutoglu entworfenen Debütantinnenroben wurden medial schon im Vorfeld besprochen (auch im „Presse“-„Schaufenster“). Von wunderlicher Wirksamkeit waren indes Kutoglus smaragdgründe Kreationen für die Tanzlehrerinnen. Im lauen Opernlüftchen wehende Plisseekrägen ließen an Echsenähnliches denken. Aber, siehe oben, von fern täuscht die Perspektive ja manchmal. (dk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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