Studentenpolitik: Kampf um die Generation Praktikum

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Studentenvertreter ziehen mit der Forderung nach besseren Verträgen, fairer Bezahlung und sozialer Absicherung durch die Stadt – und in die ÖH-Wahl.

WIEN. Die grünen Studentenvertreter der Gras haben eine Sänfte auf ihre Schultern gehievt, gefüllt mit Dingen, die für die schlechten Arbeitsbedingungen bei Studenten-Praktika charakteristisch sein sollen – allem voran einem Null-Euro-Lohnscheck, einer Kaffeemaschine und einem Aktenordner. Vom Bundeskanzleramt zieht die Gruppe so zur Uni Wien. Tags zuvor waren dort bereits Studenten des roten VSStÖ. Selbes Thema, ähnliche Idee: Die Aktivisten hatten sich als überlebensgroße Kopierer, Ordner oder Kaffeemaschinen verkleidet.

Um das Thema der „Generation Praktikum“ ist rund um den internationalen Tag des Praktikums am Mittwoch ein regelrechtes Gerangel unter den Studentenvertretern entstanden. Vor allem weil es genau diese Generation ist, um deren Stimmen die Fraktionen bei der ÖH-Wahl Ende Mai buhlen.

Denn in erster Linie sind es die Studenten, die heute in Praktika gedrängt werden: um Geld zu verdienen und um jene Berufserfahrung zu erlangen, die viele Firmen bei Bewerbern voraussetzen. „Jeder Studierende absolviert während des Studiums durchschnittlich drei Praktika. Eines davon unbezahlt“, sagt Sigrid Maurer, ÖH-Spitzenkandidatin der Gras auf ihrer Tour durch die Wiener Innenstadt. Einen Vertrag gebe es für die Praktikanten meist nicht, ebenso wenig wie Anspruch auf Urlaub oder eine Krankenversicherung. Studien würden das bestätigen.

Studenten als Billigarbeitskräfte

Die erhoffte Berufserfahrung bleibe für Praktikanten ein Wunschtraum: „Die Firmen missbrauchen Studierende als Billigarbeitskräfte für all das, das sonst keiner machen will“, so Maurer: Praktika als Ausbeutung, nicht als Ausbildung.

Der VSStÖ und die ÖVP-nahe AG, die derzeit der Bundes-ÖH vorsitzt, schlagen in dieselbe Kerbe. Die Forderungen der Fraktionen ähneln einander stark (selbst wenn das keiner zugeben will). Ganz oben auf der Wunschliste der Gras: Einbindung in den Kollektivvertrag, ein Mindesteinkommen von 800 Euro, sozial- und arbeitsrechtliche Mindeststandards. Die Auge (Alternative und Grüne Gewerkschafter) hätten für die Gras bereits dementsprechende Anträge bei der Wiener Arbeiterkammer eingebracht.

Dem VSStÖ schwebt ein „Code of Conduct“ für Praktika vor, sagt Spitzenkandidatin Sophie Wollner: Die ÖH solle mit Arbeitnehmervertretern Standards unter anderem in den Bereichen Entlohnung, Arbeitszeiten und Einbindung in den Unternehmensalltag erarbeiten. Auch Wollner fordert „kollektivvertragliche Entlohnung“.

ÖH-Chef und AG-Spitzenkandidat Samir Al-Mobayyed ist Gegner des Mindestlohns. „Es besteht die Gefahr, dass Firmen dann weniger Praktikumsplätze anbieten.“ Er reklamiert das Thema für sich: Seine ÖH beschäftige sich seit Jänner mit dem Problem. Die AG will unter anderem „faire Bezahlung“ und eine genaue arbeitsrechtliche Definition des Begriffs Praktikum.

Den Studenten bleibt die Qual der Wahl: Zu einem geschlossenen Vorgehen wird es zwischen den zerstrittenen ÖH-Fraktionen (trotz ähnlicher Ansätze) so kurz vor der Wahl wohl kaum kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2009)

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