Beethoven-Fries: Geht jetzt der Streit erst richtig los?

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Nach dem Entschluss des Kunstrückgabebeirates, das Klimt-Werk nicht den Erben zurückzugeben, sagt Expertin Sophie Lillie: „Die Sache wird sicher weiterverfolgt.“

„Eine eklatante Fehlentscheidung, die man nicht auf sich sitzen lassen kann. Die Sache wird sicher weiterverfolgt“, so reagierte die Restitutionsexpertin Sophie Lillie, die an der Erforschung der Gurlitt-Sammlung beteiligt ist und ein Handbuch über die in der Zeit des Nationalsozialismus enteigneten Kunstsammlungen Wiens schrieb, am Freitag auf die Nachricht des Kunstrückgabebeirates: Dieser hatte beschlossen, Klimts Beethoven-Fries aus der Secession nicht den Erben nach Erich Lederer zurückzugeben.

Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss gibt es nicht, aber Anwalt Alfred Noll, der die Erben vertritt, werde die Causa sicher nicht aufgeben, sagte Lillie. Noll erklärte Freitag der APA, die „Stimmungsmache der vergangenen Tage hat den Beirat“ offenbar „nicht unbeeindruckt gelassen“. Ob das Verfahren fair gelaufen sei, könne er nicht beurteilen, „weil es ein Geheimverfahren ist“. Mit seinen Mandanten, einer Gruppe von acht Erben, werde er die Entscheidung Anfang kommender Woche besprechen: „Juristisch gibt es dagegen nichts zu machen“, so Noll.

Man habe sich nicht von Gefühlen oder persönlichen Ansichten leiten lassen, sondern vom Kunstrückgabegesetz, betonte Beiratsvorsitzender Clemens Jabloner, ehemaliger Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, am Freitag. „Die Voraussetzung für eine Rückgabe ist, dass die Rückstellung, ein Verfahren nach dem Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut und ein Erwerb des Bundes in einem besonderen Zusammenhang stehen“, heißt es in der Kurzfassung des Beschlusses und weiter: „Dieser Zusammenhang ist im Fall des Beethoven-Frieses nicht gegeben.“

In der Nachkriegszeit war es üblich, dass im Nationalsozialismus enteigneten oder verfolgten jüdischen Kunstsammlern als Kompensation für die Rückgabe ihres Eigentums und die Ausfuhrgenehmigung (Aufhebung des Denkmalschutzes) Werke „abgepresst“ wurden, für die sich heimische Museen interessierten. Das Kunstrückgabegesetz von 1998, das später novelliert wurde, u. a. um scheinbar erledigte Fälle wie den Beethoven-Fries behandeln zu können, sollte mit diesem Unrecht aufräumen. Der Beirat fasste 330 Beschlüsse über 31.500 Objekte.

Knackpunkt beim Beethoven-Fries ist ein Ministerratsprotokoll von 1972. Die damalige Wissenschaftsministerin, Hertha Firnberg, hat auf das Ausfuhrverbot für den Beethoven-Fries verwiesen, sprich die Möglichkeit, auf Erich Lederer Druck auszuüben, den Fries in Österreich zu lassen. Bundeskanzler Bruno Kreisky stellte klar, dass die Republik den Fries entweder erwerben oder ihn ziehen lassen müsse. Bereits 1970, wenige Wochen nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler, hatte Kreisky Erich Lederer brieflich versprochen, er werde sich für den Ankauf des Fries verwenden, sechs Millionen Schilling wurden geboten.

Belvedere sorgt sich um Fries

1972 erwarb die Republik den Fries um 15 Millionen Schilling, „damals ein hoher Preis“, wie Jabloner Freitag betonte: Es sei unzweifelhaft, dass sich die Republik gegen die Familie Lederer „schäbig verhalten“ habe, doch weder dies noch Äußerungen Erich Lederers, der sich zunächst ungehalten über die Verzögerungen und dann erfreut über die Zahlung gezeigt habe, seien wichtig gewesen für den Kunstrückgabebeirat, sondern eben das Gesetz: „Zwischen dem Ausfuhrverfahren und dem Erwerb besteht kein zeitlicher oder kausaler Zusammenhang“, wie er im Gesetz verlangt wird, so Jabloner. Für Anwalt Noll geht just dieser klar aus dem Ministerratsprotokoll von 1972 hervor. Dieses weise „eindeutig aus, dass die seit 1950 über den Beethoven-Fries verhängte Ausfuhrsperre in ursächlichem und engem Zusammenhang mit dem Ankauf stand“. Erich Lederer starb 1986 in Genf.

Ihr Vermögen machten die Lederers übrigens mit Spiritus, Raffinerien und Chemikalien. August Lederer wurde 1857 in Böhmisch Leipa geboren. Er war Präsident und leitender Direktor der Raaber Spiritusfabrik und Raffinerie in Györ“, wie Sophie Lillie in ihrem Buch über die jüdischen Sammlungen schreibt: Die herunter gekommenen Unternehmen hat August Lederer aus dem Staatsmonopol der österreichisch-ungarischen Monarchie übernommen und aufgebaut. Die Industrialisierung des agrarisch und feudalistisch geprägten Vielvölker-Reiches, das Österreich damals war, wurde vorwiegend von tatkräftigen Zuwanderern, jüdischen, deutschen bzw. aus den Kronländern betrieben. August Lederer war auch Präsident der Jungbunzlauer Spiritus-und Chemikalien-Fabrik in Wien. 1892 heiratete er Sidonie „Serena“ Politzer, Schwester von Jenny Steiner und Aranka Munk, beide standen im Mittelpunkt von Restitutionsfällen.

Die Sammlungspolitik der Habsburger Monarchie war ziemlich konservativ, die neuen Bürgerschichten profilierten sich mit Hilfe der neuen Maler wie eben Klimt und Schiele. In den neuen Bürgerfamilien ging es auch weniger konventionell zu als bei den Aristokraten, die Frauen waren oft die treibende Kraft beim Aufbau von Sammlungen. Die Sammlung von August und Serena Lederer galt als damals wichtigste und größte Klimt-Sammlung. Die Nationalsozialisten hatten zunächst vor allem ein Interesse am Lederer-Konzern, der bereits 1938 unter die Verwaltung eines „Parteigenossen“ der NSDAP, ein SA-Mann, gestellt wurde. Das Instrument für die Enteigung war die NS-„Vermögensverkehrsstelle“. Zum Besitz der Familie Lederer zählten u. a. die sogenannten Modena-Gründe in Wien III oder das ehemalige Schloss Dietrichstein in Hadersdorf-Weidlingau. Ein Gutteil der beschlagnahmten Sammlung verbrannte 1945 in Schloss Immendorf nahe dem Marchfeld.

Serena Lederer versuchte nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Dritte Reich noch eine Zeitlang ihre Besitztümer zu retten, wurde aber zunehmend von den Nationalsozialisten verfolgt und flüchtete mit ihrem Sohn Erich nach Budapest, beide waren ungarische Staatsbürger. Serena Lederer starb 1943 in Budapest und wurde in der Familiengruft am Hietzinger Friedhof, also in Wien, begraben.

Wie gestaltete sich nun das Schicksal des Beethoven-Fries? Laut Beiratsbeschluss so: Klimt hatte den Fries 1902 als „ephemeres Kunstwerk“ geschaffen, d. h. im Bewusstsein, dass er zerstört werden könnte. Nachdem Klimt-Enthusiast Carl Reininghaus (1857-1929), Mitinhaber der gleichnamigen Bierbrauerei, den Fries gerettet hatte, wollte Klimt ihn gegen Bares restaurieren. Dazu kam es nicht mehr, Reininghaus verkaufte das Kunstwerk an August Lederer. Die Österreichische Galerie im Belvedere mit ihrem renommierten damaligen Direktor Franz Martin Haberditzl, der Interesse an dem Kunstwerk angemeldet hatte, hatte das Nachsehen. 1943 wurde der Fries zum Schutz vor Bombenangriffen nach Schloss Thürnthal in Niederösterreich verlagert. Mittlerweile war das Kunstwerk ziemlich fragil geworden. 1946 wurde seine „Sicherstellung“ durch das NS-Regime aufgehoben. Ab 1950 konnte Erich Lederer wieder über den Fries verfügen.

„Trotz mehrfacher Aufforderungen an Erich Lederer, für die Verbringung des Werkes Sorge zu tragen, verblieb dieses bis 1956 auf Schloss Thürnthal. 1961 wurde der Fries nach Stift Altenburg verlagert und schließlich ins Untere Belvedere gebracht. Spätestens ab Mitte der 1960er Jahre wurden die zunehmende Verschlechterung des Erhaltungszustandes und die Notwendigkeit einer Restaurierung immer deutlicher und immer wieder erörtet. Diese wurde jedoch von Erich Lederer abgelehnt“, heißt es in der Erläuterung zum Spruch der Kunstrückgabe-Kommission. 1970 trat schließlich eben Kreisky auf den Plan, aus großbürgerlichem Haus, Jude, Emigrant, der ein anderes Gefühl für den Raub und die Vernichtung von Werten durch die Nationalsozialisten hatte als die Nachkriegsgesellschaft, die möglichst schnell vergessen, auch vertuschen wollte. Oft zitiert wird der Spruch Oskar Helmers, Sozialdemokrat, langjähriger Innenminister in der Zeit nach dem II. Weltkrieg, der zum Thema Rückgaben meinte: „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen.“ Es ging um große Werte und große soziale, gesellschaftliche Gräben, zwischen NS-Parteigängern und anderen. Interessant ist, dass die Republik Österreich 1972 den stattlichen Betrag von 15 Millionen Schilling für den Ankauf des Fries auftrieb – während der jetzige Kulturminister Josef Ostermayer, ein Sozialdemokrat wie Kreisky, eine finanzielle Lösung für den Fries ablehnte.

Der Secession bescherte die Kontroverse in den vergangenen Tagen lebhaften Zulauf zum Fries, der ein Fragment ist. „Schau, ein Monster“, rief ein Kind angesichts der Grazien, die von einem gruseligen Geschöpf mit Zahnlücken bedroht scheinen.

Kulturminister Ostermayer muss nun entscheiden, ob er dem Beiratsspruch gegen die Rückgabe folgt, was Politiker bisher immer getan haben. Ob der Fries langfristig in der Secession bleibt, wird auch vom Belvedere abhängen, zu dessen Sammlung das Kunstwerk gehört, es ist eine Dauerleihgabe an die Secession, deren Einnahmen es verbessert. Der Ausstellungsort sei „problematisch, weil nicht authentisch“, erklärte Belvedere-Chefin Agnes Husslein am Freitag: Es gebe auch konservatorische Bedenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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