Haus der Geschichte: Studie erwartet bis zu 220.000 Besucher pro Jahr

(c) FABRY Clemens
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Eine bisher unter Verschluss gehaltene Studie aus dem Jahr 2009 sieht Vorlaufkosten von 13 Millionen Euro für das Haus der Geschichte vor. Der Expertenbeirat will das Konzept als Grundlage für seine Arbeit nutzen.

In die seit 1998 laufende Diskussion um die Errichtung eines "Haus der Geschichte" ist durch die Erklärung von Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), dieses bis 2018 in der Neuen Hofburg errichten zu wollen, neue Dynamik gekommen. In die neuen Pläne fließt eine alte Studie ein: Das im Juli 2009 vorgelegte und bisher unter Verschluss gehaltene Konzept von Haas & Lordeurop wurde nun veröffentlicht.

Im November 2008 wurde die Arbeitsgemeinschaft Haas & Lordeurop mit der Erstellung eines Konzepts für ein "Haus der Geschichte Österreich" beauftragt. Die dreiteilige und insgesamt 248-seitige Studie umfasste eine Marktanalyse, ein inhaltliches Konzept, ein Raum- und Funktionsprogramm samt Besucher- und Budgetschätzungen für drei unterschiedliche Größen-Optionen sowie einen Umsetzungsplan.

Standort- und Inhaltsfragen umgedreht

Nachdem die Lord/Haas-Studie jahrelang in der Schublade verschwunden war, soll sie nun die "solide Grundlage" für die Arbeit des vom Zeithistoriker Oliver Rathkolb eingesetzten internationalen wissenschaftlichen Beirats bilden. Vieles sei allerdings zu adaptieren, heißt es dazu aus dem Ministerium. Schon bei der Roadmap hat man sich nicht an die Expertenvorschläge gehalten: Dort steht am Anfang die "Abnahme des inhaltlichen Konzepts", bis erst unter Punkt 6 "Die Entscheidung über den Standort" erfolgen sollte. Dies hat man nun umgedreht.

Durchgerechnet wurden drei Varianten mit 6.000, 11.500 und 15.000 Quadratmetern, bei der die mittlere Option zur Umsetzung empfohlen wurde. Dabei ging man jedoch durchwegs von Neubauten aus, nicht nur, weil keine konkrete vorhandene Immobilie berücksichtigt werden sollte, sondern auch, weil das Raumkonzept multifunktionale Räume samt flexiblen Wänden, sowie Barrierefreiheit und "höchsten BesucherInnenkomfort" bieten sollte. "Diesen Anforderungen kann nur durch einen Neubau entsprochen werden." Zudem drohe von einem "geschichtsträchtigen Ort" als Standort eine Diskussion, die das inhaltliche Konzept überlagern könnte. Allerdings ermögliche ein solcher "den unmittelbaren Einstieg in die Vergangenheit", räumten die Studienautoren ein: "Der Erinnerungsort wird hier zum Diskursort."

Schulklassenanteil: ein Drittel

Die Ausstellungsfläche soll permanente und semipermanente Bereiche mit emotionaler Ouvertüre und reflexivem Finale, "Zeitschiene" und thematischen "Tiefenbohrungen" bieten, aber auch Platz für Wechselausstellungen vorsehen. Die in der Hofburg vorgesehenen 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche liegen unter der in der von den Konzeptautoren befürworteten "mittleren" Variante, die 3.700 Quadratmeter vorsehen würde, aber deutlich über den 1.500 Quadratmetern der Minimal-Variante. Mit Foyer, Veranstaltungsräumen, "Geschichtslabor", Büros und Café summiert sich der Gesamt-Nettofläche der mittleren Variante auf 8.400 Quadratmeter (Minimal-Variante: 4.300, Maximal-Variante: 11.200). Der Personalbedarf wird mit 62 Mitarbeitern berechnet (minimal: 37, maximal: 74).

Erwartet wurden für das erste Betriebsjahr bis zu 220.000 Besucher (in der Maximal-Version, 200.000 in der Medium-Variante, 110.000 in der Small-Ausführung des Museums), die allerdings in den Folgejahren um 20-25 Prozent weniger würden. Das "Haus der Geschichte Österreich" ist laut der Potenzialanalyse auch vor allem ein Haus für die Österreicher: Erwartet werden 52,5 Prozent lokale, 36.6 Prozent nationale und 11 Prozent internationale Besucher, zu rechnen sei mit einem Schulklassenanteil von einem Drittel.

Anspruch: die "innovativste und modernste Einrichtung in Europa"

Die Errichtungskosten eines Neubaus wurden zwischen 43 und 112 Millionen Euro veranschlagt. Die Betriebskostenschätzungen belaufen sich auf zwischen 4 und 8 Millionen Euro jährlich, der Zuschussbedarf zwischen 3 und knapp 7 Millionen Euro. Die "nicht-baulichen" Vorlaufkosten werden bei der präferierten Medium-Variante auf über 13 Mio. Euro geschätzt.

"Das Haus der Geschichte soll ein lebendiger und dynamischer Ort sein, an dem unter aktiver Beteiligung der BesucherInnen und in Kooperation mit Forschung, Lehre und historischen Sammlungen eine reflektierte Auseinandersetzung mit österreichischer Geschichte in ihrem europäischen und internationalen Kontext stattfindet", formulierten die Studienautoren die inhaltliche Vision. Von den Auftraggebern gewünscht war "die innovativste und modernste Einrichtung in Europa im Bereich der Vermittlung von Zeitgeschichte". Als Träger wurde eine von der Republik Österreich finanzierte, inhaltlich jedoch unabhängige Stiftung vorgeschlagen

Synergien mit ÖNB und Staatsarchiv

"Durch den nun fixierten Standort auf die Neue Burg und die Festlegung auf das 19. Jahrhundert als zeitlichen Ausgangspunkt haben sich einige räumliche und inhaltliche Rahmenbedingungen geändert", heißt es dazu aus dem Kulturministerium. "Die Studie wird daher in einzelnen Bereichen eine Nachbearbeitung erfordern." So seien etwa "die Schätzungen für den gesamten Raumbedarf (und daher auch die Investitionskosten) zu adaptieren, da auf vorhandene Rauminfrastruktur von verbundenen Organisationen (insbesondere ÖNB und Staatsarchiv) zurückgegriffen werden kann", bzw. welche zusätzlich etwa im Rahmen des Tiefspeicher-Projekts am Heldenplatz geschaffen werden können.

"Auch Teile zur Organisationsentwicklung werden neu entwickelt werden, da es sich nicht um eine neue Einrichtung handeln wird, sondern Synergien mit Trägerorganisationen, insbesondere der ÖNB und dem Staatsarchiv genutzt werden", so das Ministerium. Konkrete Kostenschätzungen könnten daher "erst nach Vorliegen des adaptierten Raum-, Funktions- und Organisationskonzepts angestellt werden", man rechne aber mit wirtschaftlichen und finanziellen Vorteilen für die Errichtung und das Betreiben des "Haus der Geschichte Österreich".

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