Der Islamische Staat feiert die Terrormiliz Boko Haram als neues Mitglied und ruft seine Anhänger zum Kampf in Afrika auf. Dort sind die radikalen Islamisten in die Defensive geraten.
Wien/Abuja. Die Führung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reagierte mit ein paar Tagen Verzögerung, aber positiv: „Unser Kalif, Gott schütze ihn, hat den Treueschwur unserer Brüder der Boko Haram akzeptiert“, verbreitete ein Sprecher via Audiobotschaft im Namen des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi am späten Donnerstagabend – eine Antwort auf eine entsprechende Erklärung der nigerianischen Terrorgruppe vom vergangenen Wochenende. Damit ist die Allianz von zwei der brutalsten Terrorgruppen weltweit offiziell – ein Szenario, vor dem Experten schon lange gewarnt hatten.
Boko Haram dürfte mit dem Schritt mehrere Ziele verfolgen: Die Gruppe wertet damit zum einen ihre Reputation in jihadistischen Kreisen auf, gleichzeitig hofft sie offenbar auch, neue Kämpfer und finanzielle Unterstützung zu lukrieren. Die IS-Antwort spiegelt dieses Ansinnen: Für Muslime, die nicht nach Syrien oder in den Irak reisen könnten, eröffne sich nun eine weitere Möglichkeit, „in das Land des Islams auszuwandern und zu kämpfen“, heißt es darin.
Die Allianz erlaubt es der Boko Haram auch, sich in einer Zeit als stark zu präsentieren, in der sie in Wahrheit sehr unter Druck geraten ist. Die Nachbarländer Nigerias – der Tschad, Kamerun und Niger – gehen mit der nigerianischen Armee seit Februar gemeinsam gegen die Gruppe vor.
Hunderte Söldner
Inzwischen haben westliche und afrikanische Quellen nach übereinstimmenden Medienberichten bestätigt, dass auch südafrikanische Sicherheitsexperten Nigerias Armee zur Hilfe geeilt sind und Operationen gegen Boko Haram befehligen. Diplomaten aus der Region sprachen von einigen hundert Söldnern. „Sie spielen eine zentrale operative Rolle“, zitiert die „New York Times“ einen Diplomaten.
Die Regierung in Abuja will inzwischen drei Dutzend und damit einen Großteil der von Boko Haram gehaltenen Städte im Norden zurückerobert haben. Darunter ist auch Baga, das von den Islamisten im Jänner überrannt wurde, wobei es hunderte Tote gab. Der Optimismus ist so groß, dass Präsident Goodluck Jonathan eine Vernichtung der Gruppe vor den Wahlen am 28. März in Aussicht stellte.
Abgesehen von den öffentlichen Erklärungen ist bisher kaum etwas über eine Zusammenarbeit zwischen dem IS und der Boko Haram bekannt. Letztere hat sich zwar immer an den großen Terrororganisationen und deren Strategien orientiert – bis hin zu Selbstmordattentaten und Enthauptungen vor laufender Kamera. Auch interpretierten Experten die plötzlich professioneller gestalteten Videos der Boko Haram als möglichen Hinweis auf eine Kooperation. Verbindungen soll es zudem beim Waffenhandel in Libyen geben.
Doch Behauptungen wie jene von Präsident Jonathan, wonach Boko-Haram-Mitglieder zur Ausbildung in den Nahen Osten gereist seien, konnten bisher nicht bewiesen werden. Als gesichert gelten dagegen teils enge Kontakte zu anderen Terrorgruppen: So soll Boko Haram früh finanzielle Unterstützung von al-Qaida-Führer Osama bin Laden erhalten haben. Auch mit der al-Shabaab in Somalia und der Al-Qaida im Islamischen Maghreb tauschte sie offenbar Informationen aus. Der jüngste Terror-Zusammenschluss mit dem IS könnte deshalb weitere Allianzen nach sich ziehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2015)