Mitat Ünal kam mit acht Knochenbrüchen aus einer Polizeikontrolle. Das Landesverwaltungsgericht verurteilte einen Beamten, die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen aber ein. Jetzt klagt das Opfer die Republik.
Wien. Vor zwei Jahren wagte es Mitat Ünal (38), einem Polizisten zu widersprechen. An den Folgen leidet er immer noch. Mit acht Knochenbrüchen verließ er die Polizeistation damals, heute kann er ohne Hilfe nicht einmal mehr seinen acht Monate alten Sohn auf den Arm nehmen. „Ich kann nicht arbeiten, habe Schmerzen, laufende Therapien und Kosten und habe dauernd Operationen“, sagt Ünal zur „Presse“. „Ich bin seit dem Vorfall verkrüppelt, jetzt verklage ich die Republik.“
Der Vorfall vom Dezember 2012 begann mit einer harmlosen Verkehrskontrolle in der Leopoldstadt. Mitat Ünal hatte keinen Führerschein mit und verweigerte den Alkoholtest. Er landete unter Protest auf dem Polizeirevier in der Ausstellungsstraße und soll hier von einem Beamten schikaniert worden sein. „Ich wurde rassistisch beschimpft, und der Polizist hat ständig an meinem Gesäß herumgefummelt“, sagt er.
Ünal wehrte sich nicht gerade höflich, beschimpfte die Beamten – dann eskalierte die Situation. Vier Beamte sollen ihn misshandelt haben. Die Nacht verbrachte er in einer Zelle. Eine Amtsärztin untersuchte ihn, rief aber nicht die Rettung. Ünal wurde am nächsten Tag entlassen. Weil er nicht gehen konnte, wurde er von einem Beamten auf einem Drehsessel vor die Tür der Wachstube gefahren – dort rief Ünal dann selbst einen Krankenwagen. Die Diagnose im Spital: acht Knochenbrüche – Serienrippenbrüche, eine zertrümmerte Schulter und ein Bruch am Bein.
Rechtswidrige Handlungen
Ünal erstattete noch im Lorenz-Böhler-Spital auf Anraten der Ärzte Anzeige gegen die Polizisten – diese machten ihrerseits eine Anzeige gegen Ünal wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Er soll einen Polizisten leicht an der Hand verletzt haben.
Im Mai vergangenen Jahres wurde die Maßnahmenbeschwerde gegen die Behörde vor dem Verwaltungsgericht verhandelt. Richter Wolfgang Helm stellte fest, dass es zu rechtswidrigen Handlungen nach der Kontrolle gekommen war und „überschießende Gewaltanwendung“ im Spiel war. Er sprach einen Beamten schuldig und hielt fest, dass die amtsärztliche Untersuchung mangelhaft durchgeführt wurde. Die Ärztin war nicht zur Verhandlung erschienen.
Parallel zu diesem Verfahren ermittelte auch die Staatsanwaltschaft – die nun aber das Verfahren gegen die Polizisten einstellte. Es kam gar nicht erst zu einem Prozess. Auch gegen die Amtsärztin wurde keine Anklage erhoben.
Ünal seinerseits stand vor Gericht und wurde vom Vorwurf wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt freigesprochen. „Wir klagen jetzt auf dem Zivilrechtsweg die Republik“, sagt sein Anwalt Gregor Rathkolb zur „Presse“. „Auf Schadenersatz, Dienstentgang, Schmerzengeld – die ganze Palette.“ Es fehle nur noch ein Gutachten. Der Anwalt findet es skandalös, dass die Staatsanwaltschaft nicht einmal Anklage erhoben habe – und das trotz Schuldspruchs gegen den Beamten.
Acht Brüche, acht OPs
Dieser ist übrigens immer noch im Dienst, es läuft ein Disziplinarverfahren. Die Amtsärztin arbeitet nach wie vor. Und Mitat Ünal bekommt in wenigen Wochen eine Schulterprothese – es ist die achte Operation. Ünal sagt: „Und ich hoffe, dass ich dann endlich ein normales Leben habe und nicht jeden Tag, wenn ich meinen Sohn heben möchte und nicht kann, an den schlimmsten Tag meines Lebens erinnert werde.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2015)