Der Iran und Saudiarabien gießen im Jemen und in Syrien Öl ins Feuer

Teheran und Riad führen in der Region blutige Stellvertreterkriege. Es ist hoch an der Zeit, dass die Rivalen ihren Konflikt am Verhandlungstisch lösen.

Sie fühlten sich viele Jahre lang marginalisiert, doch jetzt sind sie auf dem Vormarsch. Erst haben die schiitischen Huti-Rebellen die Macht in Jemens Hauptstadt, Sanaa, übernommen. Und nun sind sie bis in die Hafenstadt Aden vorgerückt, den letzten Fluchtort des international anerkannten Präsidenten Abed Rabbo Mansour Hadi. Alles deutet darauf hin, dass das Land an der Südspitze der arabischen Halbinsel endgültig ins Chaos abgleitet. Es droht ein weiterer Bürgerkrieg in der Region, die schon vom jahrelangen Massenmord in Syrien, der Gewalt im Irak, dem Terror des sogenannten Islamischen Staates (IS) und dem blutigen Machtkampf in Libyen gepeinigt wird.

Die meisten Probleme des Jemen sind– so wie auch in den anderen Hotspots der Region – hausgemacht. Das Land ist in einem komplizierten Netz aus Rivalitäten zwischen selbstbewussten Stämmen und politischen Intrigen gefangen. Doch zugleich ist der Jemen ein Schlachtfeld für externe Player.

Nach der al-Qaida versucht nun auch der IS, das Sicherheitsvakuum im Land für seine Aktivitäten zu nutzen. Seit vielen Jahren missbrauchen Jihadisten den Jemen als Basis, von der aus sie bis Somalia auf der anderen Seite des Golfs von Aden hineinwirken konnten. Die USA antworteten auf die Umtriebe der al-Qaida mit Drohneneinsätzen, denen auch zahlreiche unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen.

Doch im Jemen verläuft auch die Front in einem weiteren, größeren Stellvertreterkrieg, der schon die Konflikte im Irak und in Syrien massiv angeheizt hat. Dabei stehen sich die Regionalmächte Saudiarabien und Iran gegenüber und versuchen mit allen Mitteln, den Einfluss des jeweiligen Rivalen zurückzudrängen.

Während die Huti-Rebellen am Mittwoch weiter vorrückten, ließen die Saudis Truppen an der Grenze zum Jemen aufmarschieren. Für Saudiarabien und die anderen arabisch-sunnitischen Golfmonarchien sind Jemens schiitische Huti-Kämpfer nicht mehr als die Handlanger des schiitischen Regimes im Iran. Schon in der Vergangenheit sind die Herrscherhäuser am Golf massiv gegen schiitische Gruppen vorgegangen, die mehr Mitspracherecht forderten – etwa in Bahrain, wo 2011 saudische Panzer die von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit getragenen Demonstrationen gegen den sunnitischen Emir niedergewalzt haben. Auch damals beschuldigte Riad das Regime in Teheran, die Proteste zu schüren.

Aus Sicht der Saudis zieht sich ein iranischer Machtkorridor vom Iran über den Irak bis Syrien und in den Libanon, wo die Schiitenmiliz Hisbollah eine dominierende Kraft ist. Im Irak ist Teheran federführend in der Abwehrschlacht gegen die IS-Extremisten. Iranische Eliteeinheiten kämpfen in Tikrit an der Seite von Iraks Armee. Und die USA sind offenbar kurz davor, diese Offensive mit Luftschlägen zu unterstützen. Das just zu einem Zeitpunkt, zu dem die US-Regierung versucht, den Atomstreit mit Teheran zu beenden. Sollte der erdölreiche Iran plötzlich wieder hoffähig werden, würde das Riads politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Region schmälern. Wegen der Angst des Westens vor dem IS sitzt auch Syriens Machthaber Bashar al-Assad wieder fester im Sattel – ein enger Verbündeter Teherans, der die letzten Bürgerkriegsjahre vor allem wegen der iranischen Hilfe militärisch überstanden hat.

In dieser regionalen Machtkonstellation ist ein Außenposten Teherans an der saudischen Südflanke im Jemen das Letzte, was Riad will. Ein Anheizen des saudisch-iranischen Stellvertreterkrieges im Jemen würde aber auch die Lage in anderen Ländern weiter verschlimmern– etwa in Syrien, wo die Saudis erneut versuchen würden, mit ihren verbündeten Rebellengruppen den Iran-Freund Assad massiv unter Druck zu setzen.

Es ist deshalb hoch an der Zeit, dass Teheran und Riad ihre Rivalitäten am Verhandlungstisch beilegen. Erst dann ist eine Lösung für Syrien wieder anzudenken. Und dann könnte auch die Lage im Jemen leichter entschärft werden. Die hausgemachten Probleme dieser Länder sind kompliziert genug. Da braucht es nicht auch noch externe Mächte, die Öl ins Feuer gießen.

E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)


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