Life Ball macht's möglich: Wurst-Adele im Macho-Stadl

Ursuper! Bald schon ist im herzigen Wien endlich wieder einmal etwas los.

Na dann! Wieder macht der Life Ball schon im Vorfeld ein wenig Rumor. Sein Plakat wird wie seit einigen Jahren was recht Beziehungsvolles zieren und damit die betulichen Spießergruppen beiderlei Lager lieb aufregen. Die Frau Adele Bloch-Bauer, vom Meister Klimt 1907 geschaffen, wird das nächste Modell abgeben. Auf dieses Bild dann, eines der kitschigsten und zugleich wundervollsten Frauenporträts aller Zeiten, hat sich, gehüllt in angeblich Tausendschaften an Glitzersteinen, hergestellt in 1250 (!) Arbeitsstunden, das (der/die) Model namens Wurst vor scheußlichen Tapeten zum Zweck der Life-Ball-Bewerbung ablichten lassen.

Nun, die Peinlichkeit des Vorlagen-Bekleckerns kommt so fein im peinlichen Wurst/Klimt-Bild zum Ausdruck. Man bewirbt außerdem den Life Ball 2015, der ja in rescher Konkurrenz zum Song Contest steht, mit dem Hinweis auf „den Ver sacrum“. Schon da wird es eher heikel, begann doch diese Kunstzeitschrift in nur sechs Ausgaben fast zehn Jahre vor der Adele. Und, würde man im Life-Ball-Klub tatsächlich die Ikonografie und das postulierte Lebensgefühl von Ver sacrum verwirklichen – na, dann wäre endlich wirklich was los im herzigen Wien, das für dieses Event all das ursuper findet, das mit „trans“ oder so ähnlich beginnt.

Life Ball goes Bundeshymne

Nett. Warum nicht? Ein bisserl die österreichischen Frauen und die Kunstgeschichte mies machen, das schadet heute sowieso kaum. Aber dann hat die Sache noch eine ganz andere Komponente. Denn über dem ausladenden Faltenwurf der Wurst-Adele steht in scheußlichen Lettern die Behauptung HEIMAT GROSSER TÖCHTER SÖHNE. Aha, brav, der Life Ball goes Bundeshymne. Bloß, auch das ist Quatsch.

Wir erinnern uns. Jahre hindurch kam es zu einem Bundeshymnen-Bashing, zu einem Preradović-Beschimpfen. Schließlich hatte man (bisher) zu lernen: Das Vater(!)-Land wird mit Brüder(!)-Chören besungen, Ahnentage raunen, gläubig sind wir und kunstsinnig sowieso, Treue wird einem Land geschworen knapp zehn Jahre, nachdem dieses Land zu fast 100 Prozent sich selbst aus der Vaterlandsgeschichte freiwillig ausradiert hat, sowie (!) es ist Heimat für große Söhne. Unmöglich.

Zum Leidwesen der Ministerin

Jahre des Diskutierens und Beschimpfens folgten. Mittels einer Verordnung im BundesgesetzblattI 127/2011 hat nun alles seine Richtigkeit. Wenn nicht, ja, wenn nicht abgefeimte, fremde Kinderchöre oder volkstümliche Jungstars sich einen Dreck darum kümmerten. Der alte Text ist beliebt wie eh und je, zum Leidwesen der Ministerin, der Grünenchefin und abwärts fast aller Frauen.

Allein, jetzt kommt es erst. Denn das neue Wurst-Plakat ist genau so schlimm wie die bösen Originalfreaks in Stadien, Gesänge bei Waffenweihen oder im Macho-Stadel. Denn der vom Bundesgesetzblatt anbefohlene Text heißt (im Rhythmus scheußlich und sonst auch) „Heimat großer Töchter und Söhne“! Der Life Ball macht sich damit – denn es ist bei der Bundeshymnenverdrehung ja egal, was man verhunzt – genau so schuldig wie die Frauenverächter.

Übrigens. Es lohnt sich, noch ein wenig in den Gedichten der Ur-Autorin zu schmökern. Schon 1937 schrieb sie „Flagge, die rot-weiß und rote, ach nimmer darf sie in buntfremden Häfen sich blähn, immer die Stirn deiner Söhne der Schimmer endloser Fahrten und Fernen umwehn.“ Und davor sogar „Wo Sünde das Herz einer Mutter ergreift, sind Grauen und Tod bald die Meister! Selbst der Mädchen Wangen sind gerötet nur von Schminke noch und Hysterie.“ Wäre für ein Wurst-Life-Ball-Klimt-Plakat nicht das erst eine adäquate Sache?

Dr .Otto Brusatti (*1948), ist Musikwissenschaftler, Radiomoderator und Autor.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2015)

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