"Reichensteuer": Große Fische, kleiner Fang

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kleine Fische(c) AP (ANUPAM NATH)
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Politik auf den Weg des geringsten Widerstands: Während die Bevölkerung mit neuen Belastungen zu rechnen hat, werfen deren oberste Angestellte das Geld ungehindert zum Fenster raus.

Österreichs Sozialdemokraten blasen zum Angriff auf die Wohlhabenden des Landes. Mit der Forderung, die in den 90er-Jahren gestrichene „Reichensteuer“ in der Stunde ausufernder Staatsschulden wieder einzuführen, ernten Vertreter des linken Randes der SPÖ Applaus aus allen politischen Lagern. Wenn schon die armen Arbeiter für die Krise der Kapitalisten zu bezahlen hätten, dann sollten auch die Reichen einen höheren Beitrag leisten, so der Tenor des aufgebrachten Volkes.

Mit dem Ruf nach einer „Reichensteuer“ steht die SPÖ keineswegs allein da. Die deutschen Genossen gehen einen Schritt weiter und fordern neben höheren Steuern auch einen Generalangriff der Finanzbehörden: Bürger mit Jahreseinkommen von über 500.000 Euro brutto sollen ohne Anlass überprüft werden. Womit Spitzenverdiener im Rechtsstaat Deutschland ab sofort von höchster Stelle pauschal der Steuerhinterziehung verdächtigt werden. Es besteht kein Zweifel: Die Jagd auf die „Reichen“ ist eröffnet.

Die vermeintlich noble Jagdgesellschaft rechtfertigt ihren Feldzug gern mit dem Argument der sozialen Gerechtigkeit. So zahlten die „Reichsten der Reichen“ fast nirgendwo so wenig Vermögenssteuer wie zwischen Bregenz und dem Neusiedler See. Dabei gibt es im alles verschlingenden Umverteilungsmoloch Österreich die höchsten Vermögenssteuern des Kontinents – sie nennen sich nur anders: Lohn- und Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer sowie Abgaben zur Sozialversicherung. Diese Steuern stellen sicher, dass das Entstehen von Vermögen hierzulande bereits im Keim erstickt wird und es kaum jemand aus eigener Kraft zum „Reichen“ bringt. Das geht allenfalls noch mithilfe der sparsamen Omama.


Verlogene Diskussion. Ziel der klassenkämpferischen Debatte ist auch nicht, „arbeitsfreie“ Einkommen stärker zu besteuern, um im Gegenzug den Faktor Arbeit entlasten zu können. Die Vertreter des starken Staates wollen beides, um die explodierenden Schulden finanzieren zu können, ohne öffentliche Ausgaben kürzen zu müssen. Auch linke Steuerexperten wissen, dass eine spürbare Entlastung des Faktors Arbeit weit mehr kosten würde, als eine „Reichensteuer“ je bringen könnte.

Die Vermögenssteuer wurde von der SPÖ in den frühen 90er-Jahren ja auch nicht aus Mitgefühl für die armen Reichen abgeschafft, sondern weil sie kaum Geld brachte, standortfeindlich war und die wenigen Vermögenden außer Landes jagte. Aus denselben Gründen haben in den beiden vergangenen Jahren die wohlfahrtsstaatlichen Hochburgen Schweden und Finnland ihre Vermögenssteuern gestrichen.

In Österreich denkt man anders. Was freilich weder Herrn Mateschitz noch Vertreter ausländischer Stiftungen abhalten wird, ihr bereits mehrfach versteuertes Vermögen vor dem neuerlichen Zugriff des Staates in Sicherheit zu bringen. Wenn wir davon ausgehen, dass Finanzbeamte nicht auf den Besitz der Häuslbauer, Eigenheimbesitzer und Landwirte zugreifen wollen, bleiben am Ende noch die Unternehmer übrig, deren (ebenfalls mehrfach versteuertes) Betriebsvermögen zur Finanzierung steigender Staatsschulden herhalten darf. Mit der Folge, dass selbst hohe Verluste schreibende Firmen plötzlich Vermögenssteuern entrichten müssten – in Zeiten der schwersten Krise seit den 30er-Jahren eine wirtschaftspolitisch geradezu brillante Idee, auf die man erst einmal kommen muss. Chapeau!

In Österreich stemmen sich vorerst zwar noch Teile der ÖVP gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, kommen wird sie trotzdem. Weil dieser Schritt außer der schnellen Befriedigung von Neidkomplexen aber nicht viel bringen wird, werden weitere Steuererhöhungen folgen. So wie das bisher noch bei jeder Schuldenexplosion der Fall war.

Während die von der Wirtschaftskrise getroffenen Bürger unweigerlich höheren Belastungen entgegensehen, werfen ihre höchsten Angestellten das Geld ungehindert zum Fenster hinaus. Vor allem im eigenen Bereich: Bereits vor zehn Jahren bezifferte der damalige Wifo-Chef Helmut Kramer das Sparpotenzial in der Staatsbürokratie mit 3,5 Milliarden Euro – pro Jahr. Laut Rechnungshof sind allein im Gesundheitswesen bis zu drei Milliarden Euro jährlich zu holen, bei gleicher Qualität der Versorgung. Was ist seither passiert? Nichts, weil feige Regierungen die Umsetzung dieser Einsparungen an einen Klub pragmatisierter Reformverweigerer (namens Konvent) delegierten, was naturgemäß zum völligen Stillstand führte – welche Weihnachtsgans ist auch schon für Weihnachten?


Der leichteste Weg. So etwas nennt man fehlende Führungskraft. Statt endlich die Ausgaben in Ordnung zu bringen und die Steuern kräftig zu senken, wird den verunsicherten Massen mit der „Reichensteuer“ ein Happen vorgeworfen, der sie eine Weile beschäftigten wird. Die Politik beschreitet einmal mehr den Weg des geringsten Widerstands – angenehm für die Volksvertreter, verheerend für das Land.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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