Massaker in Kenia: Scharfe Kritik an Polizeieinsatz

Spezialeinheiten am Samstag vor der  Universität in Garissa
Spezialeinheiten am Samstag vor der Universität in Garissa REUTERS
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Nach dem islamistischen Anschlag auf eine Universität mit 148 Toten herrscht in Kenia Staatstrauer. Medien kritisieren die verspätete Reaktion der Polizei.

Vier Tage nach dem Massaker an der Universität in Garissa hat am Sonntag in Kenia eine dreitägige Staatstrauer begonnen. Die Flaggen wehten am Sonntag auf halbmast, während christliche und muslimische Geistliche zur Einheit aufriefen und in Ostergottesdiensten für die 148 Opfer gebetet wurde. In der Presse wurde unterdessen scharfe Kritik an der verspäteten Reaktion der Polizei auf den Angriff der somalischen Islamistenmiliz Shabaab laut.

Zeitungen berichteten am Sonntag, Spezialkräfte der Polizei hätten sieben Stunden gebraucht, um aus der Hauptstadt Nairobi an den Tatort im Norden des Landes zu gelangen. "Dies ist Fahrlässigkeit von einem Ausmaß, das ans Kriminelle grenzt", schrieb die Zeitung "The Nation". Sie erinnerte an Zeugenaussagen, wonach die Täter langsam, mit "offensichtlichem Genuss" mordeten.

Journalisten aus Nairobi gelangten per Straße schneller ins 365 Kilometer entfernte Garissa als die Spezialkräfte, die auf dem Luftweg anreisten. Dem Bericht der "Nation" zufolge waren zwar die Spezialkräfte in Nairobi um 05.30 Uhr alarmiert worden, nachdem die ersten Berichte des frühmorgendlichen Angriffs der radikalislamischen Rebellengruppe auf die Universität öffentlich wurden. Allerdings traf das Hauptteam der Spezialkräfte erst kurz vor 14.00 Uhr am Tatort ein.

Innenminister weist Kritik zurück

Innenminister Joseph Nkaissery wies die Kritik an den Sicherheitskräften zurück. Der Angriff sei "einer dieser Vorfälle, die jedes Land überraschen können", sagte Nkaissery. Die "Nation" warf den Sicherheitskräften vor, mit ihrer verspäteten Entsendung der Spezialkräfte dieselben Fehler begangen zu haben wie beim Shabaab-Angriff auf ein Einkaufszentrum in Nairobi, bei dem im September 2013 76 Menschen getötet worden waren.

Das Innenministerium teilte unterdessen mit, bei einem der vier getöteten Attentäter habe es sich um einen ethnischen Somalier mit kenianischem Pass gehandelt. Er habe einen Abschluss in Jus und sei von einem Bekannten als aufstrebender Anwalt beschrieben worden. Die Shabaab-Kämpfer hatten bei ihrem Angriff gezielt christliche Studenten ermordet, bevor sie beim Sturm der Polizei getötet wurden. Mit dem Angriff wollte die radikalislamische Rebellengruppe Kenia zum Abzug seiner Truppen aus Somalia zwingen, wo sie am internationalen Einsatz gegen die Shabaab beteiligt sind.

"Kenia befindet sich im Krieg"

Präsident Uhuru Kenyatta warnte davor, Muslime zu Sündenböcken zu machen: "Gerechtfertigter Zorn" dürfe nicht dazu führen, "jemanden zum Opfer zu machen, denn dies würde nur den Terroristen nutzen". Bereits am Samstag hatte Kenyatta zur Einheit aufgerufen, zugleich aber eine harte Reaktion auf den Angriff angekündigt.

Der anglikanische Erzbischof Eliud Wabukala sagte bei einem Gottesdienst in der Kathedrale von Nairobi, "die Terroristen wollen Angst und Zwietracht in der Gesellschaft säen, aber wir sagen ihnen, ihr werdet niemals siegen". Im überwiegend christlichen Kenia leben rund 20 Prozent Muslime. In Rom rief Papst Franziskus beim Ostergottesdienst die Menschen in aller Welt auf, für die ermordeten Studenten in Garissa zu beten.

Der stellvertretende Vorsitzende des Rats der Muslime in Kenia, Hassan Ole Naado, sagte, Kenia befinde sich im "Krieg, und wir müssen alle zusammenstehen". Der Rat der Muslime werde dazu beitragen, Geld für die Beerdigung der 148 Todesopfer des Massakers und für die Behandlungskosten der rund hundert Verletzen aufzubringen. Naado warnte, das Ziel der Shabaab sei es, "einen Religionskonflikt" in Kenia zu provozieren.

Gezielt christliche Studenten ermordet

Der Angriff auf das Garissa University College, zu dem sich die extremistische Al-Shabaab-Miliz bekannten, löste weltweit Entsetzen und Empörung aus. Bei dem seit Jahren schwersten Attentat in Kenia kamen mindestens 148 Menschen ums Leben, rund 80 wurden verletzt. Die Angreifer hatten gezielt christliche Studenten ermordet, während sie muslimische freiließen. Landesweit riefen christliche und muslimische Geistliche am Sonntag zur Einheit und zum Gebet für die Toten auf. Auch Papst Franziskus forderte beim Ostergottesdienst Christen in aller Welt auf, für die Ermordeten zu beten.

(APA/AFP)

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