Amerika-Gipfel in Panama: Umbau im US-Hinterhof

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Barack Obama will das Verhältnis zu Kuba normalisieren, um den geschrumpften Einfluss Washingtons in Südamerika zu stärken.

Washington. Seit 33 Jahren ist Kuba in den Augen Washingtons ein Sponsor des internationalen Terrorismus, doch nun ändert sich das. Präsident Barack Obama wird dem US-Kongress empfehlen, das kommunistische Regime von der Liste der staatlichen Terrorförderer zu streichen, in der es sich derzeit noch mit dem Iran, dem Sudan und Syrien befindet. Wenn der Kongress diese Empfehlung nicht binnen 45 Tagen ablehnt, steht somit der Aufhebung umfassender Finanz- und diplomatischer Sanktionen nichts mehr im Weg. Und damit könnten die Vereinigten Staaten und Kuba wieder Botschafter nach Havanna respektive nach Washington schicken: erstmals seit 55 Jahren.

Der Amerika-Gipfel in Panama bildet an diesem Wochenende die Kulisse für dieses diplomatische Tauwetter zwischen den einstigen ideologischen Erzfeinden. Obama und Raúl Castro, Kubas Präsident, werden einander erstmals in einem amtlichen Rahmen treffen, nachdem sie schon im Dezember 2013 beim Begräbnis von Nelson Mandela in Südafrika Hände geschüttelt haben.

Obama ist von den Hypotheken des Kalten Krieges unbelastet, seine Sichtweise auf das Problem des Umgangs der Vereinigten Staaten mit Kuba hat er mehrfach auf den einfachen Nenner gebracht: Was seit fünf Jahrzehnten nicht funktioniert, von dem sollte man sich klugerweise verabschieden. Weder der politische Druck aus Washington noch die Wirtschaftssanktionen der USA gegen das Castro-Regime haben zur ersehnten politischen Öffnung geführt. Die Isolation Havannas wurde von Jahr zu Jahr anachronistischer, wie auch die Frage, ob Kuba noch ein Förderer von Terrorgruppen sei. Die baskische Verbrecherorganisation ETA benötigt Kuba längst nicht mehr als Rückzugsgebiet. Und heute unterstützt Kuba die linke kolumbianische Drogenguerilla Farc nicht mehr, sondern vermittelt unter internationalem Lob zwischen ihr und der Regierung von Kolumbien Friedensgespräche.

Strategische Fortschritte möglich

Obama erhofft sich von der Normalisierung des kubanischen Verhältnisses eine Stärkung der Rolle der USA in der westlichen Hemisphäre. Denn im Umgang mit den lateinamerikanischen Staaten hat sich Washington durch seine harte Haltung gegenüber den Castros zusehends isoliert. Der heurige Amerika-Gipfel wäre von zahlreichen südamerikanischen Staatsführern boykottiert worden, hätten die USA weiterhin die Teilnahme von Kuba abgelehnt.

Und hier, in den größeren Dimensionen Mittel- und Südamerikas, liegen auch die wesentlichen Sorgen und Hoffnungen der Regierung in Washington. Denn der wirtschaftliche Aufstieg und die politische Stabilisierung dieser Weltregion nach 1989 gingen mit einem starken Verlust des US-Einflusses einher. „Im 21. Jahrhundert sind erfolgreiche Staatsstreiche selten geworden, und wenn sie passieren, wie das 2009 in Honduras der Fall war, arbeitet die Region zusammen, um die Rückkehr zur Demokratie sicherzustellen“, gibt der venezolanische Politikforscher Harold Trinkunas von der Brookings Institution in Washington zu bedenken.

Schlüsselfaktor Venezuela

Die USA mussten zudem einer linkspopulistischen Welle zusehen, die im Venezuela des früheren Fallschirmjägers Hugo Chávez ihren Ausgang nahm und, jahrelang von hohen Rohstoffpreisen getragen, von Ecuador bis Argentinien der latent US-feindlichen Grundstimmung politische Ausdrucksform verlieh. Chávez ist tot, sein Nachfolger, Nicolás Maduro, ringt angesichts des nun jäh abstürzenden Ölpreises, enormer Inflation und massenhafter Verarmung mit zusehends diktatorischen Mitteln um den Erhalt seiner Macht. „Die Wirtschaft ist im freien Fall, und das hat zu wachsender politischer Repression geführt“, sagt Shannon O'Neil, die am Council on Foreign Relations in Washington Südamerika erforscht. Rund 40 Prozent der Oppositionellen seien in Haft. „Maduro hofft, dass er durch die Kontrolle der politischen Arena auch die Wirtschaft unter Kontrolle bringen kann.“

Die Stabilisierung Venezuelas und Vorbeugung eines Bürgerkrieges verleihen der Organisation amerikanischer Staaten (OAS), die den Amerika-Gipfel ausrichtet, denn auch neue politische Bedeutung. Das geschieht just zu einem Zeitpunkt, an dem das Interesse wichtiger Mitglieder an dieser multilateralen Vereinigung schwindet; Brasilien zum Beispiel weigert sich, seinen Mitgliedsbeitrag zu zahlen, und hat derzeit keinen OAS-Botschafter entsandt.

Somit ist Obamas Annäherung an Havanna bedeutsam für den Frieden und Wohlstand in Südamerika. Sie könnte die spannungsgeladene Region beruhigen. „Es ist wichtig, diese Normalisierung voranzubringen. Wenn wir die Animosität aus dem Verhältnis zu Kuba nehmen, können wir eine Menge Fortschritte in anderen Bereichen erzielen, die überhaupt nichts mit Kuba zu tun haben“, sagt O'Neil.

Die neue Politik

Diplomatische Beziehungen. Seit Jänner verhandeln die USA und Kuba über eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, die 1961 ausgesetzt worden sind. Außerdem könnte Kuba bald von der US-Liste der Terrorismus-Unterstützerstaaten gestrichen werden.

► Lockerung von Sanktionen. Das Weiße Haus hat die Sanktionen im Jänner gelockert. Einige Exportbeschränkungen sind gefallen, die Zusammenarbeit von Finanzinstitutionen wurde erleichtert, die direkte Telefonverbindung wieder hergestellt. Einer vollständigen Aufhebung des US-Handelsembargos muss der Kongress zustimmen.

Reiseerleichterungen. Auf eigene Faust dürfen Touristen aus den USA weiterhin nicht nach Kuba reisen, aber der bürokratische Aufwand wurde in bestimmten Fällen – wie Familienbesuchen und Bildungsreisen – deutlich reduziert.

Guantánamo. Hier gibt es Differenzen: Havanna verlangt die Rückgabe des Gebiets, die USA wollen die strategisch wichtige Basis aber nicht aufgeben.

Entschädigungen. Auch ein noch ungeklärter Punkt. Der Besitz von US-Bürgern und US-Firmen wurde während der kubanischen Revolution verstaatlicht. Washington schätzt die Summe, die Kuba den USA schuldet, auf fast sieben Mrd. Dollar.

US-kubanischer Neuanfang nach Jahrzehnten der Feindschaft

Chronologie. Mehr als 50 Jahre lang herrschte Eiszeit zwischen Washington und Havanna. Das soll sich nun ändern. Die wichtigsten Stationen im Überblick.

Invasion in der Schweinebucht 1961. Nachdem Washington als Reaktion auf die kommunistische Revolution die diplomatischen Beziehungen zu Havanna abgebrochen hat, organisiert der US-Geheimdienst CIA im April einen militärischen Angriff von Exil-Kubanern auf Kuba. Sie werden von kubanischen Regierungstruppen zurückgeschlagen.
Embargo und Kuba-Krise 1962.
Die USA verhängen ein Wirtschaftsembargo. Als Washington sowjetische Raketen auf Kuba entdeckt, steht die Welt am Rand eines Atomkriegs. Der sowjetische Regierungschef, Nikita Chruschtschow, willigt ein, die Raketen abzuziehen – unter der Bedingung, dass die USA nicht auf Kuba einmarschieren.

Freiheitsflüge ab 1965. Havanna erlaubt hunderten Kubanern, in die USA zu segeln. US-Präsident Lyndon B. Johnson organisiert sogenannte Freiheitsflüge. Bis April 1973 verlassen mehr als 250.000 Menschen die Insel.

Erleichterte Reisen 1977. US-Präsident Jimmy Carter lockert die Reisebeschränkungen, die 1963 in Kraft getreten sind. Durch die Schaffung gegenseitiger Interessenvertretungen werden die Beziehungen etwas besser.


Ausreisen 1980. Kubas Staatschef, Fidel Castro, erlaubt Ausreisewilligen, vom Hafen Mariel aus in die USA zu fahren. 125.000 Kubaner treffen Ende September in Florida ein. Die erleichterten Reisebedingungen werden 1982 unter US-Präsident Ronald Reagan wieder verschärft.

Helms-Burton-Gesetz 1996.
US-Präsident Georg Bush hat eine Verschärfung des Kuba-Embargos schon 1992 gebilligt – das Helms-Burton-Gesetz macht die Auflagen noch strenger. Die Entscheidungsgewalt über das Embargo liegt nicht mehr beim Präsidenten, sondern beim Kongress.
Krankheit Fidel Castros 2006.
Wegen anhaltender Gesundheitsprobleme übergibt Fidel Castro die Regierungsgeschäfte an seinen Bruder Raúl – vorübergehend, wie es zunächst heißt.

Abtritt Castros 2008. Fidel Castro gibt das Präsidentenamt endgültig auf. Sein Bruder Raúl wird neuer Staatschef.

Neuanfang 2009. US-Präsident Barack Obama kündigt einen „Neuanfang“ nach „Jahrzehnten des Misstrauens“ an. Er ordnet an, Beschränkungen für US-Bürger kubanischer Herkunft bei Reisen und Überweisungen aufzuheben.

Lockerung der Sanktionen 2011. Die USA lockern ihre Kuba-Sanktionen. Der Schritt gilt für Finanztransfers, Visavergabe und Reisebeschränkungen.

Historischer Händedruck 2013. US-Präsident Obama und Kubas Präsident Castro schütteln sich bei der Trauerfeier für Nelson Mandela die Hand. Castro bietet den USA einen Dialog an.

Historisches Telefonat 2014. Obama und Castro kündigen Verhandlungen über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen an. Obama will mit dem US-Kongress außerdem über die Aufhebung des Embargos sprechen. Kuba lässt den inhaftierten US-Bürger Alan Gross frei sowie Dutzende politische Gefangene.

Historischer Gipfel 2015. Beim Amerika-Gipfel am 10./11. April in Panama ist Kuba erstmals dabei. Obama und Castro kommen zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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