Der neue Versuch Hillary Clintons, US-Präsidentin zu werden, steht unter günstigen Sternen. Die eigene Partei ist geeint, der politische Gegner zerbricht in mehrere Lager.
Washington. Am Sonntag wird Hillary Clinton ihre Kandidatur für die amerikanische Präsidentschaft bekannt geben, doch im Grunde genommen läuft ihre Kampagne seit dem Herbst 1999. Damals beschloss sie, sich um den Sitz des scheidenden demokratischen Senators Daniel Patrick Moynihan aus New York zu bewerben. Die Clintons erwarben ein Haus in Chappaqua, einem Örtchen rund eine Autostunden nördlich von Manhattan entfernt. Als erste Gattin eines amtierenden Präsidenten trat sie im November 2000 zur Kongresswahl an, von 2001 bis Anfang 2009 erwarb sie sich als fachkundige und zu Kompromissen fähige Senatorin einen guten Ruf als Macherin. Aber sie hatte auch die Nachrede, im Zug zur Macht Prinzipien über Bord zu werfen. Üppige Parteispenden von der Wall Street füllten ihre Kampagnenkasse.
Doch Hillary Clintons erster Anlauf auf das Weiße Haus scheiterte spektakulär. Der junge Senator Barack Obama erkannte die Zeichen der Zeit und den tiefen Ärger weiter Teile der amerikanischen Gesellschaft über die Washingtoner Eliten. Er überholte Clinton aus der Außenseiterposition, um zuerst zum Kandidaten der demokratischen Partei und im November 2008 zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt zu werden.
Viel böses Blut war zwischen den Lagern Obamas und Clintons geflossen. Doch das ist, in der politischen Zeitrechnung zumindest, lange her. Obama holte Clinton 2009 als Außenministerin an Bord, heute wiederum strömen Obama-Gefolgsleute in Scharen der Wahlkampforganisation Clintons zu, die sich in Brooklyn ein eindrucksvolles Hauptquartier eingerichtet hat. John Podesta wird diese Kampagne leiten, er verkörpert die saumlose Tradition Clintonscher Machtpolitik: Der heute 66-Jährige war einst Bill Clintons Stabschef, zuletzt sorgte er dafür, das von Unerfahrenheit und Erschöpfung zerrüttete Weiße Haus Obamas zu stabilisieren.
Ernsthafte interne Konkurrenz fehlt
Bis zur Wahl am 8. November 2016 kann noch viel passieren, doch Clintons Siegeschancen stehen gut. Sie hat erstens, anders als vor acht Jahren, keine ernsthaften parteiinternen Herausforderer. Zweitens scheint ihr politischer Gegner aus den Fehlern der Kampagne vor vier Jahren nichts gelernt zu haben. Ein Dutzend republikanischer Senatoren und Gouverneure rittern um die Nominierung und zersplittern damit nicht nur das Eintreiben jener enormen Wahlspenden, ohne die man nicht ins Weiße Haus kommt, sondern auch den Diskurs darüber, wohin es inhaltlich gehen soll: Noch stärker an den ideologischen Rand rechtsaußen, wie es der demagogische texanische Senator Ted Cruz fordert? Oder in die Mitte der Gesellschaft, wie es Jeb Bush befürwortet, Sohn und Bruder der letzten beiden republikanischen Präsidenten?
Hillary Clinton kann das nur freuen. Denn je radikaler sich die Republikaner geben, desto einfacher wird es für sie, jene gemäßigten Wähler für sich zu gewinnen, die ihr angesichts diverser Finanzskandale und der jüngsten Aufregung um die Frage, ob sie ihre E-Mails als Außenministerin gelöscht habe, skeptisch gegenüber stehen. Denn eines hat Clinton in den Wahlkampagnen ihres Gatten Bill gelernt: In der Mitte liegt die Macht – und der Schlüssel zum Wahlsieg.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)