Motorradklub will bis zum 9. Mai auf den Spuren der Roten Armee durch Europa touren – und dabei auch in Wien Station machen.
Wien. „Nach Berlin!“, so lautete der Schlachtruf der Roten Armee beim Vorstoß gegen die Nationalsozialisten. „Nach Berlin!“ ist auch das Motto des Motorradkorsos des russischen Bikerklubs Nachtwölfe, der am 25. April um 12 Uhr in Moskau beginnt. Geplant ist eine Fahrt auf den Spuren der Roten Armee, ein „Siegeszug“ mit im Fahrtwind wehenden russischen Fahnen, Kranzniederlegungen und öffentlichen Paraden.
Moskau, Minsk, Brest, Wrocław, Brno, Bratislava, Wien, München, Prag, Torgau, Karlshorst und Berlin sind die Stationen der mehr als 6000 Kilometer langen und zwei Wochen dauernden Fahrt – auf der, wie es jetzt aussieht, der Motorradklub noch auf andere Hindernisse stoßen könnte als Benzinmangel und Reifenplatzer. Denn die Nachtwölfe sind stramm auf Kreml-Linie, sie stehen für die Ideologie des „Russkij Mir“, und auf ihren Bikes transportieren sie die „Russische Welt“ in europäische Metropolen. Angesichts der Ukraine-Krise ein heikler Zeitpunkt für einen „Siegeszug“ unter russischer Flagge.
Nachtwölfe halfen bei Krim-Annexion
Vor allem in Polen sieht man die motorisierten Befreier skeptisch. Mit einer Internetpetition forderten Tausende Einreiseverbote für die Biker. Die polnische Premierministerin, Ewa Kopacz, legte nach, als sie die Tour als Provokation bezeichnete. In einem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen entgegnete Klubchef Alexander Zaldostanow, genannt „Chirurg“: „Wir haben nicht vor, unsere Route zu ändern.“ Zaldostanow hat einen einflussreichen Freund: Wladimir Putin höchstpersönlich. 2012 kurvte Putin mit Zaldostanow auf der Krim herum. Im Februar 2014, kurz bevor russische Soldaten auf der Halbinsel auftauchten, war der „Chirurg“ mit seinen Bikern in Simferopol.
In der Kreml-Doku „Der Weg zurück nach Hause“ erzählt der Krim-Chef des Klubs, Alexander Medwedjew, freimütig, wie Vertreter des Klubs bei der Machtübernahme durch russische Soldaten Ende Februar 2014 tatkräftig mithalfen: beim Aufbau von Checkpoints, bei der Ausschaltung von Gegnern und dem Kidnapping des ukrainischen Generals Mihail Koval. Klubmitglieder unterstützen offen die Separatisten im Donbass. Klubs der Nachtwölfe gibt es auch in anderen europäischen Ländern, in der Ukraine, in Bulgarien, Mazedonien, Serbien und Deutschland.
In der russischen Botschaft in Wien weiß man nichts von der Ankunft der Biker. Mit der Botschaft habe keiner Kontakt aufgenommen, hieß es gegenüber der „Presse“. Auch bei der Landespolizeidirektion Wien sind keine Veranstaltungsanmeldungen eingegangen.
Unklar ist weiters, ob die Rocker über ein gültiges Schengen-Visum verfügen. Die Pressestelle der Nachtwölfe gibt dazu keine Auskunft. In einem Bericht hieß es, die Biker hätten ein von Deutschland ausgestelltes Schengen-Visum. Gut möglich, dass die Mitglieder längerfristige Multi-Einreise-Visa besitzen, da sie schon bisher regelmäßig zu Bikertreffen in der EU anreisten. Unterstützung erfahren die Biker aus Tschechien, wo Fans im sozialen Netzwerk eine „Willkommensseite“ eingerichtet haben. Und auch ein Vertreter eines polnischen Motorradklubs äußerte sich positiv: Polnische Motorradliebhaber seien stets herzlich in Russland empfangen worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2015)