Mathematik-Zentralmatura: "Aufgaben sind sehr textlastig"

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Mathematiker Rudolf Taschner findet die Beispiele insgesamt in Ordnung, aber eher sprachlich als mathematisch anspruchsvoll. Ein "Nonsens-Beispiel" sei ärgerlich.

Gestern, Montag, wurde die mit Spannung erwartete Mathematik-Zentralmatura geschrieben. Zwei Teile mussten die Schüler dabei bewältigen: Einen verhältnismäßig einfachen, der die Grundkompetenzen abtestet und einen komplexeren, der umfangreiche und tiefer gehende Aufgaben enthält.

>>> Teil 1 der Mathematik-Zentralmatura

>>> Teil 2 der Mathematik-Zentralmatura

Rudolf Taschner, Mathematiker an der Technischen Universität Wien, hält die 24 Aufgaben des ersten Teils für "wirklich sehr leicht". Man würde die Philosophie erkennen: Alle sollen durchkommen.

Die wichtigen Bereiche seien ziemlich durchgehend abgedeckt. Insgesamt würden die Aufgaben den Erwartungen an eine zentrale Prüfung entsprechen. Taschner nimmt an, dass es eher wenig "Nicht Genügend" geben wird, allerdings - wegen des anspruchsvolleren zweiten Teils - auch wenig "Sehr Gut".

Das erste Beispiel des ersten Teils zeigt, wohin die Macher der Zentralmatura wollen:

Hier geht es darum zu erkennen, was eine Formel besagt und dies in Worte umzuformen. Nämlich: Der Term stellt das im Mittel erhaltene Taschengeld pro Woche dar.

Der Mathematiker Taschner hält es an sich für ein gutes Beispiel - wie die meisten Aufgaben im ersten Teil. Nur das dritte Beispiel des ersten Teils kritisiert er heftig - aus zwei Gründen.

Erstens: "Das Beispiel ist zu primitiv", sagt Taschner. Man könne es schon in der ersten oder zweiten Klasse Mittelschule geben. Es gehe nur darum, das erste Gehalt mal die erste Eins zu rechnen, das zweite Gehalt mal die zweite Eins, das dritte Gehalt mal die dritte Eins usw., also müsse man nur einfache Summen bilden.

Außerdem sei es "Nonsens", es handle sich gar nicht um ein Skalarprodukt. Das Wort "Vektor" sei fehl am Platz, es handle sich um eine Spalte von Zahlen, um eine Tabelle. "Die Aufgabensteller haben von dieser Art von Beispiel offenbar keine Ahnung", sagt Taschner. Mathematik sei die Kunst, etwas Kompliziertes einfach zu machen. Hier allerdings sei das Gegenteil gemacht worden. "Hier wird nicht Mathematik gemacht," so das Fazit zum dritten Beispiel.

Zweiter Teil: anspruchsvoller und textlastig

Der zweite Teil der Zentralmatura wird als aufwendiger bewertet. "Es wird schon einiges von den Kindern verlangt", sagt Taschner. Allerdings weniger vom Mathematischen als vom Textlichen her. "Den Text gut zu lesen ist eine Anstrengung", sagt Taschner. Für ihn ist deshalb auch die Frage interessant, wie Migranten mit der Mathematik-Klausur zurechtkamen.

Zur Ansicht ein Teil des zweiten Beispiels:

Dieses Beispiel (hier vollständig zu finden) ist für Taschner ein Klassiker mit einer interessanten Fragestellung. Das dritte Beispiel beurteilt er als "irre lang", das vierte sei "fast wie bei der alten Matura". Insgesamt seien alle Aufgaben im zweiten Teil in Ordnung. Sie würden dadurch schwer, dass der Lehrer diese Beispiele ja nicht spezifisch üben könne, weil er nicht wissen würde, was kommt.

Den ersten Teil zentral zu geben, ist für Taschner positiv, auch um Lehrer zu entlarven, die ihren Schülern nur sehr wenig beibringen. Den zweiten Teil der Matura würde er aber den Lehrern selbst überlassen - er plädiert für eine teilzentrale Matura.

Auffällig ist für den Uni-Professor, dass für die Matura Papier in rauhen Mengen ausgedruckt werde: Wenn man sich das ausrechne, 44 Seiten für fast 20.000 Maturanten, komme ein Bestseller raus, sagt Taschner.

Didaktiker: Fragen wurden "sinnvoll gestellt"

Als nicht zu textlastig sieht Hans Humenberger, Mathematik-Fachdidaktiker an der Uni Wien, die Beispiele. Er hat einen "positiven Gesamteindruck" von der Zentralmatura. Die Fragen seien "sinnvoll gestellt" und bis auf Details in Formulierungen würde er auch nichts ändern.

Das Niveau schätzte Humenberger als angemessen ein. Insgesamt sei der Anspruch der Kompetenzorientierung gut erfüllt worden. War die Mathematik-Matura früher oft eine Art "Show", wo teilweise ein antrainiertes Niveau vorgespielt wurde, das sich nicht im tatsächlichen Verständnis der Schüler widerspiegelte, sei nun weitgehend sicher gestellt, dass man nur bestehen kann, "wenn man etwas verstanden hat".

Oberes Drittel "nicht mehr so gefördert"

Aus Sicht der Unis heiße das, dass eher Studierende an die Hochschulen kommen, "die von der Sache insgesamt mehr verstehen". Was in der neuen Matura aber nicht so gefragt sei, sind stark vertiefende "operative, technische Aufgaben", die das mathematisch besonders interessierte "obere Drittel oder Viertel" speziell gefordert haben. "Die werden jetzt vielleicht nicht mehr so gefördert, weil sich der Unterricht sozusagen auf die Dinge beschränkt, die jetzt bei der Matura gefragt werden", gibt Humenberger zu bedenken. In diesem Zusammenhang würde auch ihm eine "teilzentrale Mathematik-Matura" besser gefallen.

Der Bewertungsschlüssel: Für ein "Genügend" müssen die Schüler im ersten Teil zwei Drittel der Aufgaben richtig gelöst, also 16 Punkte erreicht werden - unabhängig von der Punkteanzahl im zweiten Teil. Ausnahme: Im zweiten Teil können noch extra gekennzeichnete sogenannte "Ausgleichspunkte" gesammelt werden, die für den ersten Teil angerechnet werden.

(rovi)

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