Staatsschutz soll künftig deutlich früher gegen fremde Nachrichtendienste tätig werden können.
Wien. Österreichs Hauptstadt, ein Paradies für Spione? Viele Facetten dieses alten Klischees entspringen schlichtweg journalistischer Fantasie. Einige andere haben Bezug zur Realität. Wien ist Schnittpunkt zwischen Ost und West, Sitz wichtiger internationaler Organisationen und schaut, politisch gewollt, traditionell nicht so genau hin. Das schuf ein Milieu, in dem sich Nachrichtendienste aller Länder durchaus wohlfühlten. Bisher zumindest.
Tritt das neue Staatsschutzgesetz (siehe auch Artikel rechts) wie geplant in Kraft, dann senkt die Regierung die Schwelle, ab der heimische Behörden gegen nachrichtendienstliche Aktivitäten Dritter aktiv werden können, deutlich. Das Problem bei der Tätigkeit ausländischer Dienste ist, dass diese dem Wesen nach hochgradig konspirativ stattfindet. Nur sehr selten ergeben sich konkrete Anhaltspunkte, die Maßnahmen und Ermittlungen nach dem Strafgesetz erlauben. Wirksame Spionageabwehr im Vorfeld braucht also selbst nachrichtendienstliche Mittel.
Solche Mittel stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zwar prinzipiell zur Verfügung, erlaubt waren sie bisher jedoch nur bei Gruppierungen oder Einzeltätern, die weltanschaulich oder religiös motiviert sind (Terroristen). Das führte in Einzelfällen zu absurden Sachverhalten. So erhielt das BVT von einem Partnerdienst den Hinweis, Person X habe im eigenen Land für Land Y spioniert und sei nun mit der gleichen Absicht auf dem Weg nach Wien. Informationen wie diese durfte das BVT nicht einmal speichern, geschweige denn Ermittlungen darauf aufbauen.
„Hohe“ Spionageaktivitäten
Künftig soll die vage Definition der „Wahrscheinlichkeit eines verfassungsgefährdenden Angriffs“ reichen, um filmen, lauschen oder observieren zu dürfen. Und zwar lange bevor strafrechtliche Ermittlungen laufen, auch gegen fremde Botschaftsangehörige.
Eine aktuelle Analyse des BVT bewertet die Aktivitäten fremder Dienste in Österreich wörtlich als „hoch“. Beliebteste Aufklärungsziele sind demnach Behörden, das Bundesheer, Universitäten, Schlüsselunternehmen und in Österreich lebende ausländische Oppositionelle, die auch hier vom Heimatregime überwacht werden. (awe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)