Die EU will Schutzbedürftige europaweit verteilen – doch der Vorschlag ist intern umstritten.
Angesichts einer Bevölkerungszahl von rund 500 Millionen ist die Zahl der positiv entschiedenen Asylanträge in der Europäischen Union nach wie vor relativ überschaubar: Insgesamt 185.000 Flüchtlingen wurde im Vorjahr EU-weit die Schutzbedürftigkeit attestiert – dabei sind Schätzungen zufolge allein aus Syrien vier Millionen Menschen vor dem Bürgerkrieg geflohen.
Das Thema ist akut und kontroversiell zugleich. Akut, weil immer mehr Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Kontroversiell, weil die Last innerhalb der EU ungleich verteilt ist. Momentan stehen vor allem Italien und Griechenland an vorderster Front – sie müssen die Flüchtlinge aus der Seenot retten und sich um ihre Asylanträge kümmern, denn gemäß der sogenannten Dublin-Verordnung hat das Prozedere dort zu erfolgen, wo der Flüchtling zuerst EU-Boden betreten hat. In der Praxis gelangen viele Neuankömmlinge ungehindert über die EU-Binnengrenzen in den begüterten Norden der Union. Was in jenen Mitgliedstaaten, die überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufnehmen, zusehends für Ressentiments sorgt. Eine Europäisierung der Angelegenheit ist also das Gebot der Stunde.
Am Mittwoch stellte die EU-Kommission in Brüssel ihre Agenda für Migration vor. Kernstück des Maßnahmenpakets ist ein Quotensystem für Schutzbedürftige – sie sollen fortan auf alle EU-Mitglieder verteilt werden, die Quote richtet sich nach Bevölkerungsgröße, Wirtschaftsleistung, Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Zahl der bis dato aufgenommenen Flüchtlinge. Während wohlhabende Länder wie Deutschland, Schweden und Österreich den Vorschlag begrüßen, gibt es Kritik aus den neuen Mitgliedstaaten, um die Flüchtlinge aufgrund des ökonomischen Ost-West-Gefälles bisher einen Bogen machten.
Die Kommission will demnächst im Niger eine multifunktionelle Anlaufstelle eröffnen, in der Flüchtlinge um Ausreise nach Europa ansuchen sollen – ein Pilotprojekt, dem weitere Aufnahmezentren in Nordafrika folgen könnten. Parallel dazu wollen die EU-Mitglieder militärisch gegen die kriminellen Schleppernetzwerke vorgehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)