Washington feiert Schlag gegen Öl-Emir des IS

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Bei ihrem Angriff auf IS-Führer Abu Sayyaf erbeuten US-Spezialkräfte wichtige Unterlagen. Doch IS rückt weiter vor und bedroht Weltkulturerbe Palmyra.

Sie kamen mitten in der Nacht mit Black-Hawk-Hubschraubern und V-22-Osprey-Fluggeräten. An Bord waren 22Mann der US-Eliteeinheit Delta Force. Sie landeten in al-Amr, rund 30 Kilometer südöstlich der syrischen Stadt Deir-ez-Zor. Ziel war die Residenz von Abu Sayyaf, einer Führungsfigur der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), verantwortlich für die lukrativen Gas- und Ölgeschäfte der Jihadisten. Bei der Operation sollen mindestens zwölf IS-Kämpfer getötet worden sein – darunter auch Abu Sayyaf, den die Amerikaner eigentlich verhaften wollten. Die Delta Force konnten nur seine Frau, Umm Sayyaf, festnehmen. Umm Sayyaf soll unter anderem an der Versklavung von Jesidinnen beteiligt gewesen sein. Eine junge Jesidin konnte von den US-Truppen aus Abu Sayyafs Haus befreit werden. Beide Frauen wurden in den Irak ausgeflogen. Von Umm Sayyaf verspricht man sich Informationen über Geiseln, die noch immer in den Händen des IS sind.

Der Tod des aus Tunesien stammenden Abu Sayyaf sei ein „signifikanter Schlag“ für die Jihadisten, sagte US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter. Denn die Gruppe habe den Mann verloren, der an der Spitze des gesamten Erdöl- und Gasgeschäfts gestanden habe, das bekanntlich ihre Haupteinnahmequelle sei. Im Weißen Haus war man guter Dinge. Die Operation hinter feindlichen Linien, mitten in einem Gebiet, das die IS-Terrormiliz vollständig kontrolliert, war der erste gelungene Einsatz dieser Art in Syrien. Im Sommer vergangenen Jahres hatte man vergeblich versucht, amerikanische Geiseln zu befreien. Darunter waren die Journalisten James Foley und Steven Sotloff, die beide von den Extremisten danach ermordet wurden.

Aller Wahrscheinlichkeit nach sind bei Abu Sayyaf gefundenen Daten und Dokumente ein „Schatz“ für die US-Geheimdienste. Die Delta Force soll eine Reihe von Computern, Telefonen und Unterlagen mitgenommen haben. Man wird herausfinden können, wie der IS Geschäfte macht und wer dahintersteckt. Zudem dürften sich bisher ungeklärte Fragen über Kommunikationsstrukturen und Befehlshierarchie beantworten lassen. Man wird auch auf neue Namen stoßen, von denen man bisher nichts oder kaum etwas wusste. Eine ganze Reihe von Leuten der IS-Führungsebene dürfte gezwungen sein, ihren Aufenthaltsort zu wechseln.

Mit Drohnen überwacht

Der Militäreinsatz in Syrien hat auch einen psychologischen Effekt. Die US-Spezialeinheiten können jederzeit mitten in der Nacht vor der Tür stehen. Auf IS-Internetforen konnte man bereits Nervosität erkennen. Internationale Experten hatten sich allerdings verwundert die Augen gerieben: „Abu Sayyaf? Nie gehört.“ Denn bisher war der Tunesier eine unbekannte Größe. Bis jetzt ist man von den Informationen der US-Behörden abhängig. Sie wollen den Öl-Emir wochenlang beobachtet haben. Er soll mit Drohnen verfolgt worden sein, Satelliten haben Bilder geliefert, Telefongespräche sollen abgehört und Internetverkehr kontrolliert worden sein.

So sehr man in Washington guter Dinge ist, militärisch gesehen, bedeutet die Operation hinter feindlichen Linien wenig. Sie ist gute Publicity, die andere Rückschritte im Kampf gegen die IS-Terrororganisation in Syrien nur übertüncht. Die Extremisten sind in der Provinz Homs auf dem Vormarsch.

Zudem bedrohen sie die weltberühmte Ruinenstadt Palmyra. Zwar soll der IS am Sonntag nach Gefechten mit der syrischen Armee wieder aus dem nördlichen Stadtgebiet abgezogen sein, das er tags zuvor erobert hat. Die Jihadisten stehen aber nach wie vor in den Dörfern der Gegend und könnten jederzeit wieder angreifen. Palmyra zählt zum Weltkulturerbe. Der Leiter der syrischen Altertümerverwaltung, Maamun Abdulkarim sagte, er sei in großer Angst und Sorge. Der IS-Kämpfer werden in Palmyra „alles sprengen“, wenn sie bis zu den antiken Stätten vordringen.

AUF EINEN BLICK

Die US-Spezialeinheit Delta Force hat am Wochenende eine Operation gegen die Führung der Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates (IS) durchgeführt. 22 Mann der Delta Force landeten in der Nacht in der syrischen Ortschaft al-Amr und töteten bei einem Schusswechsel mindestens ein Dutzend IS-Kämpfer. Unter den Getöteten ist auch Abu Sayyaf, die Zielperson der Aktion. Nach Angaben der USA war Abu Sayyaf beim IS für die lukrativen Ölgeschäfte verantwortlich. Seine Frau Umm Sayyaf wurde festgenommen. Sie soll über Hintergrundwissen zu entführten Geiseln und verschleppten jesidischen Frauen verfügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)

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