Einer Jugendlichen aus Wien wurde vorgeworfen, der Terrorgruppe IS geholfen zu haben. Wollte die Angeklagte mit ihrem Tschador nur gegen die eigene Mutter rebellieren?

Wien. Sie hat eine Friseurlehre begonnen, doch dann ist alles anders gekommen. Es war voriges Jahr. Die damals noch 15-Jährige aus Wien Meidling, ein Mädchen ohne jeden Migrationshintergrund, ist zum Islam konvertiert, hat sich mit einem Tschador „bedeckt“ – wie sie dies ausdrückt –, ist nach islamischem Recht eine Verbindung mit einem 18-jährigen Tschetschenien-Flüchtling eingegangen und wollte diesen nach Syrien in den Jihad begleiten. Sich der Terrormiliz IS anschließen – hat später die Anklage formuliert. So klar sah dies gestern, Dienstag, ein Wiener Gericht aber nicht. Die mittlerweile 16-Jährige wurde – ebenso wie ein 18-jähriger Angeklagter – im Zweifel freigesprochen.
Das Mädchen sei in Internetkontakt mit dem früheren IS-(Video-)Propagandisten Oliver N. gestanden. Dieser ist vor einigen Wochen aus Syrien zurückgekehrt. Er wurde nun aus der U-Haft als Zeuge vorgeführt, verweigerte aber die Aussage. Weiter habe die Jugendliche versucht, ihrem Ehemann in die syrischen Kampfgebiete zu folgen. Und sie habe eine IS-Propaganda-CD zu Hause gehabt.
Um mit Letzterem zu beginnen: Die CD habe sie sich nie angesehen. „Keine Zeit dafür“, beschied die 16-Jährige am Dienstag im Straflandesgericht Wien dem Gericht. Die Angeklagte hatte es sich nicht nehmen lassen, im Tschador aufzutreten. Übrigens: Wie in Krems beim Terrorprozess gegen den tschetschenischen Asylwerber Magomed Z. trat nun auch die Wiener Justizwache mit schwarzen Gesichtsmasken auf – obgleich die Bedrohungslage im Saal offenbar als so gering eingestuft wurde, dass der Eintritt für Zuschauer ohne Sicherheitscheck möglich war.
Wie war das mit der – verhinderten – Reise in den Jihad? Diese klappte nicht, weil die Mutter der Tochter den Pass abgenommen hatte. Die Jugendliche sammelte daraufhin 315 Euro für eine spätere Ausreise. Und ja, die Chats mit Oliver N. – diese gibt die Angeklagte zu (sie sind sowieso gespeichert).
Zum Islam sei sie konvertiert, weil: „Das ist für mich die schönste Religion.“ Denn: „Die Frauen bedecken sich.“ – „Wenn man sich eine Nonne ansieht – das können Sie auch im Christentum haben“, so Richter Daniel Rechenmacher. Was sie vom IS halte? „Ich weiß nicht, ob der IS das Richtige ist oder nicht.“ Und: „Ich finde es nicht gut, Menschen gleich zu köpfen, ohne dass die eine Chance haben zu konvertieren.“ Ob sie wisse, was auf der IS-Flagge stehe, wollte der Richter noch wissen (das islamische Glaubensbekenntnis). Antwort: „Das weiß ich nicht.“ Was sie denn in Syrien getan hätte? „Für meinen Mann kochen und putzen.“ Sie wisse aber, dass dieser bereits getötet worden sei.
„Teil der IS-Maschinerie“?
Dem Schöffensenat war die Suppe zu dünn. Das Argument der Anklage, wonach die 16-Jährige (verteidigt von Wolfgang Blaschitz) „Teil der IS-Maschinerie“ sein wollte, schlug nicht durch. Das Verhalten der Jugendlichen sei zwar „grenzwertig“ gewesen, aber für Terrorunterstützung fehlten Beweise. Fazit: ein (nicht rechtskräftiger) Freispruch im Zweifel. Auch der 18-Jährige – er soll die Wienerin in Sachen Syrien-Reise bestärkt haben – bekam einen Freispruch.
Bei dem Mädchen könnte die vom Gericht verlesene Einschätzung der Jugendgerichtshilfe den Freispruch begünstigt haben: Demnach wolle sich die 16-Jährige möglicherweise mit dem Tschador gegen ihre Mutter „auflehnen“. Die beiden verbindet ein ziemlich schwieriges Verhältnis.