Der Fußballverband Fifa lässt kein Fettnäpfchen aus: Blatters Wahl, sein Rücktritt, Korruption, Verhaftungen, FBI-Ermittlungen und Kunstrasen-Klagen – dazu entwürdigende Geschlechtertests vor der Damen-WM.
Der Fußballweltverband Fifa nimmt es ganz genau. Dafür gibt es ja die Statuten und Regeln, die von honorigen Funktionären aufgestellt worden sind. Und sie haben sich dabei auch hoffentlich etwas gedacht bei ihren Kongressen in noblen Luxushotels oder exotischen Destinationen. Die Fifa lässt sich zum Auftakt der Damen-WM in Kanada von jeder der 24 teilnehmenden Nationen versichern, dass keine Männer mitspielen. Es werden Geschlechtertests verlangt.
Dem jeweiligen Mannschaftsarzt war somit aufgetragen, die Tests durchzuführen. Laut Aussendung sollte damit festgestellt sein, „dass alle Spielerinnen eindeutig weiblichen Geschlechts sind“.
Der von Korruption, Verhaftungen, Sepp Blatters Rücktritt-Wiederwahl und FBI-Ermittlungen gezeichnete Weltverband will offiziell nur eines erwirken; Chancengleichheit. Schon vor der WM 2011 in Deutschland wurde das „Gender Verification“-Reglement installiert, Anlass war dafür eine harte Anschuldigung. Teams aus Ghana, Nigeria und Südafrika hatten vehement interveniert, die Schwestern Salimata und Biliguisa Simpore und ihre Teamkollegin Genoveva Añonma aus Äquatorialguinea wären Männer oder Intersexuelle. Sie spielten letztlich nicht mit, der Test aber bleibt allen Spielerinnen fortan nicht erspart.
Aus der Leichtathletik ist der Fall von Caster Semenya in Erinnerung, die Südafrikanerin gewann 2009 bei der WM in Berlin Gold über 800 Meter. Ihre Athletik, Kraft, tiefe Stimme, Muskeln und Siegerzeit (1:55,45 Min.) irritierte die Konkurrenz. Ewig lange zögerte der internationale Verband IAAF seine Entscheidung hinaus. Er ordnete den Test schließlich doch an, für die Athletin höchst erniedrigend. Menschenrechtsaktivisten liefen Sturm, Südafrika richtete Protestnoten aus, das Ergebnis wurde nie publik. Sie startete erst 2010 wieder – als Frau.
Im Zuge dieser Kontroverse passten Fifa und Internationales Olympisches Komitee ihre Richtlinien zu weiblichem Hyperandrogenismus an. Eine intersexuelle Athletin darf nur dann bei Frauen starten, wenn ihr Level männlicher Sexualhormone unterhalb dem eines Mannes liegt. Sie wäre ja sonst womöglich schneller, stärker, hätte einen schärferen Schuss, weiteren Wurf etc.
Im Vergleich zu keineswegs zimperlichen Doping-Jägern oder den damals heillos überforderten Leichtathleten lässt die Fifa interessanterweise in diesem Punkt allerhöchste Sorgfalt walten. Bemerkenswert, es wird Wert auf Würde und Privatsphäre gelegt. Medical Officer und Teamarzt sind am Zug, das hilft den Athletinnen – oder dient es doch wieder nur dem Geschäft? Weitere Negativschlagzeilen, bei solch sensiblen Themen und in Märkten wie Amerika und Kanada, wären vollkommen unbrauchbar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)